Vom Adler zur Wölfin – Ein numismatisches Bestiarium

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von Ursula Kampmann

23. August 2018 – „Wenn ein Sammler sich von seiner Sammlung trennen muss, dann ist das eine Notwendigkeit und geschieht nicht ohne tiefes Bedauern. Er hält sich an dem Gedanken fest, dass die Objekte, die ihm so teuer waren, nun anderen Münzbegeisterten Freude machen werden. Wenn es sich um ein Museum handelt, das zum Hüter für zukünftige Generationen wird, ist das Drama der Trennung schnell verschmerzt.“ Ich bin mir sicher, wenn Carlo-Maria Fallani das von Matteo Campagnolo initiierte Buch „De l’aigle à la louve – monnaies et gemmes antiques entre art, progapande et affirmation de soi“ in den Händen hält, wird er nicht mehr darüber nachdenken, wie sehr ihm seine Sammlung fehlt, denn eine bessere Wertschätzung hätte sie nicht erfahren können.

Matteo Campagnolo in Zusammenarbeit mit Jacques Chamay und einer Gruppe seiner StudentInnen sowie Carina Weiß und Danielle Decrouez, Fotografien von Luigi Spina, De l’aigle à la louve. Monnaies et gemmes antiques entre art, propagande et affirmation de soi. 5 Continents Editions, Mailand 2018. 423 S., durchgängig bebildert in Farbe. Hardcover. 25,2 x 26,2 cm. ISBN: 88-7439-795-2. 90 Euro.

Im Jahr 2001 übergab Carlo-Maria Fallani seine Sammlung von Münzen der römischen Republik dem Musée d’art et d’histoire in Genf. Matteo Campagnolo entwickelte die Idee, nicht einfach einen weiteren Katalog zu machen, sondern in einer Art numismatischem Bestiarium die Tiere zu präsentieren, die auf antiken Münzen und Gemmen der phantastischen Sammlung des Museums zu finden sind. Dank der großartigen – künstlerischen, nicht numismatischen – Fotographien von Luigi Spina ist daraus ein Schmaus für die Augen und für den Verstand geworden. Der bibliophile Bildband, aufwändig und liebevoll produziert, dürfte zunächst alle Augenmenschen ansprechen; aber das ist nur der Anfang: Die interessanten Texte nehmen einen schnell gefangen und lassen einen den tieferen Sinn der Darstellung erahnen, der sich dem modernen Menschen sonst nicht sofort erschließt.

Wer denkt zum Beispiel heute noch daran, dass das griechische Wort für den Schmetterling einst Psyche lautete und die Seele, die dem toten Menschen entstieg, mit demselben Wort bezeichnet wurde? Erst mit diesem Wissen kann man die Darstellung einer Gemme, auf der der Kopf einer Herme mit großen Schmetterlingsflügeln ausgestattet ist, angemessen einordnen. 

Die Texte des Buchs verantwortete Matteo Campagnolo in Zusammenarbeit mit Jacques Chamay und einer Gruppe seiner StudentInnen sowie Carina Weiß und Danielle Decrouez. Sie sind weiß Gott nicht so simpel, wie man es gelegentlich den Coffee Table Books vorwirft. Im Gegenteil, die Hinweise zur Ikonographie sind ausgezeichnet recherchiert, die antiken Quellen gesammelt und das Ganze dann noch in ein sehr lesbares Französisch verpackt. Wer in Zukunft über die Ente oder die Schildkröte schreiben will, muss vorher unbedingt dieses Buch lesen. Es vermittelt einen guten Einblick, was die Menschen in der Antike über dieses Tier wussten (oder auch nicht) und dachten.

Kurz, dieser Bildband gehört zu den Büchern, die von der Freude sprechen, die Sammler empfinden, wenn Sie antike Münzen betrachten. Mit anderen Worten, wenn Sie hin und wieder Probleme haben, Ihre Umwelt für ihr Sammelgebiet zu begeistern, dann legen Sie dieses Buch eben doch auf ein kleines Tischchen in Ihrem Wohnzimmer, so dass Ihre Besucher anfangen zu blättern, sich festlesen und selbst zu Münzsammlern werden.

Kaufen können Sie das Buch beim Verlag 5 Continents Editions.

In diesem Verlag sind auch andere Publikationen von numismatischem Interesse zu haben, so der zweibändige Katalog der Siegel aus der Sammlung George Zakos, der Katalog der Gewichte aus spätrömischer und byzantinischer Zeit sowie der wunderbare Band „Héros Antiques“ der eine flämische Tapisserie mit den bei ihrem Entstehen bekannten Objekten aus antiker Zeit gegenüber stellt. 

Und wenn Sie sich das Vorbild aller Bestiarien ansehen wollen, den Physiologus…