Unmögliche Standards? „Konfliktzonen“ in der britischen Gesetzgebung

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von Kate Fitz Gibbon
übersetzt von Björn Schöpe

Dieser Artikel ist zuerst auf Englisch erschienen auf der Webseite des Committee for Cultural Policy.
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13. April 2017 – Das britische Parlament hat einen Gesetzesentwurf, den Cultural Property (Armed Conflicts) Act 2017, verabschiedet. Das Gesetz bezieht sich auf die Ratifizierung und Umsetzung der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten aus dem Jahr 1954. Seit 2004 haben die aufeinanderfolgenden Regierungen Großbritanniens sich um eine Ratifizierung der Konvention bemüht, waren aber bislang stets gescheitert.
Die heftigste Diskussion um das Gesetz bezieht sich auf Satz 17(1). Dieser Satz definiert, dass es ein Verbrechen ist, mit Kulturgütern zu handeln, von denen der Händler weiß oder aus gutem Grund vermuten kann, das sie aus einem besetzten Gebiet ausgeführt worden sind. Diese Definition gilt rückwirkend für Objekte, die seit 1954 exportiert wurden. Bisher wurden keine Verordnungen erlassen, die die neue Gesetzgebung näher regeln.
In der dritten Debatte über das Gesetz im Unterhaus des Parlaments kamen erneut Bedenken zur Sprache, die immer wieder geäußert worden waren, seit der Gesetzesentwurf 2016 eingebracht worden war.

Die Staatssekretärin für Kultur, Medien und Sport Tracey Crouch verteidigte alle Aspekte des Gesetzentwurfs vom Schutz vor Cyberangriffen auf digitales Kulturgut bis zum Denkmalschutz vor Beschädigung. Ihre Hauptabsicht lag allerdings darin, den Kulturgütermarkt einzugrenzen.
In Bezug auf Satz 17, der es als Verbrechen definiert, mit illegal ausgeführten Kulturgütern zu handeln, äußerte sich Crouch: „Wenn es irgendeinen Hinweis gibt, der andeutet, dass ein Objekt möglicherweise unrechtmäßig aus seinem Herkunftsland ausgeführt worden ist – wo und wann auch immer die Ausfuhr stattgefunden hat –, dann sollten Händler nicht mit diesem Objekt handeln.“

Crouch fuhrt fort: „Wenn neue, überzeugende Hinweise zur Herkunft eines Objektes kurz vor einer Auktion vorgelegt werden, erwarten wir schon jetzt, dass ein Händler innehält und überlegt, ob weitere Nachforschungen nötig sind. Sollte eine Forderung aufkommen ohne irgendein handfestes Indiz als Begründung, dann ist es vollkommen gerechtfertigt, wenn der Händler diese Forderung ignoriert und mit der Auktion fortfährt. Solche Forderungen können kaum dazu führen, die rechtmäßige Ausfuhr des Objektes anzuzweifeln. Wenn unrechtmäßig ausgeführtes Kulturgut in das Vereinigte Königreich importiert wird, dann ist es wichtig, dass wir in der Lage sind, es zu beschützen, indem wir diejenigen, die damit handeln möchten, abschrecken und falls nötig strafrechtlich verfolgen.“

Victoria Borwick, Präsidentin der British Antique Dealers Association, sagte, dass zwar der Kunstmarkt die Ziele des Gesetzesentwurfs völlig unterstütze. Es gebe allerdings Sorgen, ob „ehrliche und wohlmeinende Händler und Auktionshäuser keine strafrechtliche Verfolgung riskieren, wenn sie ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen.“

Welche Objekte von dem Gesetz betroffen sind, ist nicht klar, jedenfalls beschränkt es sich nicht ausschließlich auf bedeutende Kunstwerke. Borwick sagte: „Der Anklagepunkt nach Satz 17, mit unrechtmäßig ausgeführten Kulturgütern zu handeln, hängt direkt davon ab, was das Gesetz unter ,Kulturgut‘ versteht. Aufgrund der Zeichensetzung in Artikel 1(a) der Konvention, wie in Tabelle 1 widergegeben, ist der Text so zu verstehen, dass Kulturgut nicht beschränkt ist auf ein Gut, ,das für das kulturelle Erbe der Völker von großer Bedeutung ist‘. … Andere Kategorien von Gütern sind von der Definition betroffen ungeachtet ihrer kulturellen Bedeutung …“

Sir Edward Garnier, QC, der verschiedene Klauseln in Satz 17(1) ablehnte, hatte schon zuvor angemerkt, dass das Gesetz auch Kunstwerke, Bibliotheken und Manuskripte umfasse sowie Objekte von archäologischem oder historischem Interesse. Militärkommandeure würden durch das Gesetz haftbar gemacht werden, wenn sie nicht in der Lage sind, die Zerstörung von Kulturgütern zu verhindern.

Da dieses Gesetz Objekte betrifft, die seit über 60 Jahren im Umlauf sind, ist unklar, wie Kunsthändler ermitteln sollen, wann ein Objekt seinen Herkunftsort verlassen hat oder von wo es kam.
Das Gesetz umfasst Kulturgut aus besetzten Gebieten und Konfliktzonen seit 1954. Ein Objekt aus einem Land, in dem vor Jahrzehnten Krieg herrschte, könnte nun nicht mehr legal gehandelt werden, obwohl es seit Jahrzehnten gehandelt worden ist, lange nach Beendigung des Krieges. Borwick wies außerdem darauf hin, dass nicht definiert werde, was ein im Sinne des Gesetzes „besetztes Gebiet“ ist, und welche Zeiträume umfasst werden.

Borwick fragte: „Kann denn die Liste der besetzten Gebiete nicht für alle zugänglich veröffentlicht werden zusammen mit den relevanten Daten der Besetzung? Oder die Staatssekretärin könnte die Kriterien klar benennen, nach denen festgelegt wird, ob ein Land als besetzt gegolten hat oder nicht. Ich könnte zu der Liste Ostjerusalem hinzufügen, die Westbank, Nordirak, Libyen oder Südsudan.“

In der letzten Diskussion über das Gesetz sagte Borwick:
„Es fällt mir schwer zu verstehen, wie man von einem Gesetz, das sich ausschließlich mit Objekten beschäftigt, die unrechtmäßig aus besetzten Gebieten ausgeführt worden sind, erwarten kann, dass es reibungslos angewendet werden kann, wenn niemand diese besetzten Gebiete klar benennen kann. Erwartet die Regierung von einem Händler oder Auktionshaus als Teil der Sorgfaltspflicht, dass es in jedem Einzelfall eine Anfrage einreicht zur Statusbestätigung eines Gebiets durch das Außenministerium, bevor es eine Antiquität behandelt? Ich fordere nachdrücklich von der Regierung, dass sie eine Liste anfertigt von den betroffenen Gebieten mit allen relevanten Daten, um einen Leitfaden zur Hand zu geben. Da das Gesetz rückwirkend bis 1954 angewendet wird, müssen diese Informationen verfügbar sein und als Referenz dienen. Ich bitte die Staatssekretärin, diese und andere Punkte zu berücksichtigen, wenn sie die Verordnungen vorbereitet, die die Anwendung des Gesetzes regeln werden.“

Das Gesetz kommt auch bei aktuellen Konflikten zur Anwendung. Crouch kündigte an, dass in der britischen Armee eine neue Einheit zum Schutz von Kulturgut geschaffen werden solle. Sie sagte, diese Einheit solle durchsetzen, dass in den britischen Streitkräften Kulturgüter respektiert und geschützt würden. Die Einheit werde sich aus 10 bis 20 spezialisierten Reserveoffizieren zusammensetzen, die in allen Streitkräfteeinheiten Training und Unterstützung anbieten sowie überall dort über Kulturgüter berichten werde, wo britische Streitkräfte stationiert seien. Kulturgüter erleiden viel Schaden von Soldaten aller Konfliktparteien. Daher wurden Bedenken geäußert, Angehörige ausländischer Nationen, die in britischen Einheiten „eingebettet“ (embedded) seien, sollten britischer Rechtsprechung unterliegen. Crouch äußerte dazu, dass ein „ausländischer Soldat, der die Gesetze übertritt, entlassen und zu seinem entsendenden Staat zurückgeschickt wird.“
Die Gesetzesvorlage wurde ein drittes Mal verlesen und ohne Änderungen angenommen. Es hat die Königliche Zustimmung durch die Königin erhalten und am 23. Februar 2017 Gesetzeskraft erlangt.