Schwaben-Ausstellung in Stuttgart

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16. Februar 2017 – Das Landesmuseum Stuttgart zeigt bis 23. April 2017 die Große Landesausstellung „Die Schwaben. Zwischen Mythos und Marke“. Die Begriffe der „Schwaben“ und des „Schwabenland“ sind im deutschen Südwesten ebenso traditionsreich wie diffus, in jedem Fall aber bis heute weit über die Grenzen der Region hinaus in aller Munde. Die Verwendung der Bezeichnung „Schwaben“ löst Assoziationen aus und erfüllt offenbar seit jeher bestimmte Funktionen. Welche das sind, dem will die Große Landesausstellung auf über 1.300 Quadratmetern nachgehen. Sie zeigt zu diesem Zweck bedeutende Phänomene der Kunst-, Kultur- und Mentalitätsgeschichte Schwabens auf teilweise neue, bisher ungesehene Art.

Hans Maler zu Schwaz (um 1480 bis 1526/ 1529), Porträt Anton Fugger (1493-1560). Ulm oder Schwaz in Tirol/Österreich, um 1525. Mischtechnik auf Nadelholz, H. 42,4 cm, B. 34 cm. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Karlsruhe. © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Foto: Wolfgang Pankoke.

In der Landesausstellung werden ca. 300 Kunstwerke und Objekte der Alltagskultur, darunter 150 internationale und nationale Leihgaben, spannungsvoll präsentiert. „Schwäbische Kunst“ setzte sich immer aus Höchstleistungen der verschiedenen Metropolen zusammen, die international vernetzt waren und Spitzenprodukte exportierten. Konstanz und Ulm, Augsburg und Stuttgart werden mit ihren großen Marken und Exportschlagern seit dem Mittelalter vorgestellt. Kunstvolle Skulpturen, herausragende Tafelgemälde und Goldschmiedearbeiten stehen neben modernen Industrieprodukten und faszinierenden Objekten wie dem „Heiligen Blechle“.

Anton Sohn, „Die Sieben Schwaben“. Zizenhausen, 1830/31. Terrakotta, bemalt, H. 15 cm, B. 30 cm, T. 10 cm. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart. © Landesmuseum Württemberg, Stuttgart; Foto: Hendrik Zwietasch.

Der Name „Schwaben“ lässt sich, anders als die Bevölkerung selbst, auf die germanischen Sueben zurückführen. Im Mittelalter, als feste Grenzen noch unbekannt waren, setzte er sich als Bezeichnung eines bedeutenden Herzogtums durch, aus dem mehrere deutsche Kaiser hervorgingen. Auch nach dem Untergang der Staufer blieb der Begriff Schwaben an Südwestdeutschland haften. Dieses immer stark von Ein- und Auswanderung geprägte Gebiet umfasste sehr unterschiedliche Landschaften wie den Schwarzwald, das Neckarland, die Alb, Oberschwaben oder das Allgäu und bestand bis zur Zeit Napoleons aus unzähligen katholischen und evangelischen Kleinstaaten.

Medaille von Karl Schwenzer auf die Vollendung des Ulmer Münsters, 1890. Diese Medaille wurde in verschiedenen Metallen geprägt: neben 817 Exemplaren in Silber und 523 in Bronze auch 58 in Gold, die ein Gewicht von 15 Dukaten haben. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart (Foto: H. Zwietasch)/ CC BY-SA 4.0

Als im 19. Jahrhundert das neu geschaffene Königreich Württemberg seinen „Traum von Schwaben“ identitätsbildend nutzte und gleichzeitig der Ostteil Schwabens mit dem Königreich Bayern verschmolz, wurden die Mythen der Vergangenheit neu entdeckt. Man identifizierte sich mit berühmten großen Schwaben wie den Staufern, Herzog Eberhard oder Friedrich Schiller. Daneben rückten die „vaterländische“ Landschaft und großartige Gebäude wie das Ulmer Münster oder das neu erbaute Schloss Lichtenstein ins allgemeine Bewusstsein.

Zugleich fand im Land selbst die altbekannte Spotterzählung von den „Sieben Schwaben“ weite Verbreitung. Die tölpelhaften Schwaben als Kontrast zu den Erfindern und Genies sind nur ein Aspekt der im Laufe der Epochen sehr wechselhaften Schwabenbilder. Solche Widersprüche werden in der Ausstellung anhand faszinierender Objekte entlarvt. Die Besucher, die sich an vielen Stellen der Ausstellung selbst zu Wort melden können, begegnen am Beispiel eindrucksvoller Persönlichkeiten auch der Frage, wer eigentlich Schwabe ist? 

Taler des Schwäbischen Reichskreises, 1694. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart (Foto: H. Zwietasch)/ CC BY-SA 4.0

Wer grenzt sich ab, wer will dazu gehören?

Der schwäbische Dialekt, für viele das eindeutigste Merkmal der Schwaben, wird in einem eigenen Bereich auf den Prüfstand gestellt. Über die Verkleinerungsform des „le“ hinaus geht es um den schwäbischen Wortschatz, die Besonderheiten der Aussprache – und wie sich die Mundart auf dem Dorf und in der Stadt unterscheidet. Stimmen die Dialektgrenzen überhaupt mit den Identitätsgrenzen überein? 

Dukaten des Schwäbischen Reichskreises, 1737. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart (Foto: H. Zwietasch)/ CC BY-SA 4.0

Die Ausstellung untersucht auch „gefühlte Realitäten“ wie die behaupteten Eigenschaften, die den Schwaben in besonderem Maße zugeschrieben werden: Fleiß, Sparsamkeit, Ordnungsliebe und Putzwut, Häusle-Bauen, Spätzle-und Maultaschen-Essen. Ob diese Klischees auch heute noch stimmen, oder wie sie von „Medienschwaben“ als schwäbische „Marken“ stilisiert und gepflegt werden, darüber berichtet die Ausstellung mit einem Augenzwinkern.

Thoman Burgkmair (1444-1523), Die Augsburger heiligen Bistumspatrone Ulrich, Afra und Simpert aus der Klosterkirche St. Ulrich und Afra in Augsburg. Augsburg, um 1492. Tempera auf Nadelholz mit Leinwandüberzug, teilvergoldet, H. 125,7 cm, B. 109,5 cm, T. 0,5 cm. Diözesanmuseum Rottenburg, Rottenburg. © Diözesanmuseum Rottenburg; Foto: Manuel Wagner.

Schwäbische Heilige

Heilige hatten im Mittelalter und (nach der Reformation) in katholischen Regionen eine große Bedeutung und machten einen wichtigen Bestandteil regionaler Identität aus. Heilige Patrone waren Leitfiguren und Schutzheilige für Bistümer, Städte oder einzelne Gebiete, in denen sie besonders oder auch ausschließlich verehrt wurden. Ihnen hat man in der jeweiligen Region viele Kirchen, Kapellen und Altäre geweiht; Kinder wurden und werden nach Ihnen benannt.

Die ältesten Heiligen waren vielerorts frühchristliche Märtyrer wie beispielsweise der heilige Pelagius oder die heilige Afra, die in Konstanz bzw. Augsburg verehrt wurden. Afra, eine zum Christentum bekehrte Prostituierte, soll um 300 zur Zeit des römischen Kaisers Diokletian in Augsburg hingerichtet worden sein: sie wurde der Legende nach, an einen Baumstamm gebunden, auf dem Lechfeld verbrannt. Früh prägten auch Missionare wie die heiligen Gallus und Lucius von Chur die Gebiete ihres Wirkens. Sie sollen aus anderen europäischen Ländern wie Irland und England stammen, kamen möglicherweise aber eher aus Burgund und Italien. Mit ihnen verbindet sich die Christianisierung Alemanniens / Schwabens im Frühmittelalter.

Silberfigur des heiligen Konrad vom Hochaltar des Konstanzer Münsters. Figur: Hans Jakob I Bair (um 1564 bis 1628). Augsburg, 1613 und 1773/ 1775. Silber, getrieben und gegossen, teilweise vergoldet. © Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Konstanz, Konstanz; Foto: Franz-Josef Stiele-Werdermann.

Die Konsolidierung der wichtigen Bischofsstädte Schwabens wiederum fällt in die Amtszeiten herausragender Bischöfe der Ottonenzeit des 10. Jahrhunderts wie der befreundeten Heiligen Konrad von Konstanz und Ulrich von Augsburg. Aber auch noch im 20. Jahrhundert kam eine schwäbische Heilige hinzu: die erst vor wenigen Jahren kanonisierte Nonne Creszentia von Kaufbeuren. 

Die älteste Heiligendarstellung in der Großen Landesausstellung ist die kunstvolle Elfenbeinschnitzerei mit Szenen der Lebensgeschichte des heiligen Gallus auf dem Buchdeckel des „Evangelium longum“ aus der Stiftsbibliothek St. Gallen. Das Buch entstand um 900 im gleichnamigen alemannischen Bodenseekloster. Die Darstellung zeigt, wie der Heilige seinen Kreuzstab mit einer Reliquientasche daran dort in den Boden gesteckt hat, wo 100 Jahre später, im Jahr 719, das nach ihm benannte Kloster errichtet wird. Er bewegt einen wilden Bären dazu, ihm Feuerholz zu holen, wofür er das Untier mit einem Stück Brot belohnt – und bringt es dazu, die Gegend zu verlassen. Das Motiv der Christianisierung verbindet sich hier mit dem der Kultivierung Alemanniens. Der Heilige hatte auch heidnische Götzenbilder der Einheimischen zerstört und in den Bodensee geworfen.

Von besonderer Bedeutung für Schwaben war das „Freundespaar“ der heiligen Bischöfe Konrad und Ulrich aus dem 10. Jahrhundert. Bischof Ulrich von Augsburg ist als Urheber des Sieges in der Schlacht auf dem Lechfeld in die Geschichte eingegangen. Kaiser Otto der Große besiegte hier, vor den Toren der Bischofsstadt, endgültig die Ungarn, die bis dahin immer wieder ins Reich eingefallen waren. Unter Gebeten und nur mit der Bibel „bewaffnet“ soll Ulrich den Reiterkriegern zuvor aus der belagerten Stadt entgegen geritten sein. Er war ein alemannischer Grafensohn und wird meistens als Bischof mit einem Fisch in der Hand dargestellt. Dies nimmt Bezug auf eine Legende: Der Bote des Herzogs von Schwaben, dem Ulrich unrechtes Handeln vorgeworfen hatte, erhielt vom Bischof eines Freitags für den Rückweg von Augsburg ein Stück Gänsebraten vom Vorabend als Wegzehrung. Böswillig strebte er danach, dem Bischof seinerseits Unrecht nachzuweisen, da er freitags Fleisch esse. Als er das Beweisstück vorzeigen wollte, hatte es sich jedoch in Fisch verwandelt, die angemessene Speise für diesen Tag.

Ein anderes Tier begleitet in der Regel den heiligen Konrad: eine Spinne auf seinem Kelch. Sie soll während der Messe in den geweihten Wein gefallen sein. Da Konrad diesen nicht wegschütten wollte (aus Ehrfurcht vor dem Blut Christi und besonderer Selbstbeherrschung, nicht aus Sparsamkeit!), schluckte er die Spinne mit hinunter. Nach der Messe soll sie unversehrt wieder aus seinem Mund herausgekommen sein. Die Große Landesausstellung zeigt mehrere Darstellungen des wichtigsten Patrons des Schwabenbistums Konstanz als Holzskulptur, Grafik und herausragende Goldschmiedefigur vom Hochaltar des Konstanzer Münsters. Der heilige Konrad, ein Welfe aus Altdorf bei Ravensburg, erfreute sich kontinuierlicher großer Verehrung. 

Die jüngste schwäbische Heilige ist Creszentia Höß (1682-1744) aus Kaufbeuren. Erst im Jahr 2001 wurde die Nonne heiliggesprochen. Sie gilt als Vorbild im Gehorsam, den sie in ihrer Klosterlaufbahn oftmals beweisen musste. Bekannt sind die Episoden, wonach sie als Prüfung durch ihre neidvollen Klosterschwestern Wasser mit einem Sieb schöpfen bzw. Schneebälle trocknen musste. Später, als Äbtissin, war sie für viele eine wichtige weise Ratgeberin. 

Weingartner Welfenchronik. Miniatur: ‚Kaiser Barbarossa und seine Söhne‘. Weingarten, nach 1185. Handschrift auf Pergament, 152 Bll., H. 33 cm, B. 24 cm, T. 8,5 cm. Hochschul- und Landesbibliothek, Sig. D 11, Fulda. © Hochschul- und Landesbibliothek Fulda; Foto: W. Habermehl.

Schwabe und Kaiser: Das berühmte Barbarossabild der Weingartner Welfenchronik

Kaiser Friedrich I. Barbarossa (reg. 1152-1190) hatte für Schwaben ebenso wie für Deutschland von jeher eine besondere Bedeutung. Als Sohn des Schwabenherzogs Friedrich II. (amt. 1105-1147) und als Nachfolger seines Onkels, König Konrads III. (reg. 1138-1152), war Barbarossa der erste Staufer, der die Kaiserkrone trug. Eines der berühmtesten Herrscherbildnisse des Mittelalters zeigt Friedrich I., der als „kaiserlicher Vater“, wie die Inschrift ihn nennt, zwischen seinen beiden Söhnen thront. Haare und Bart des später „Barbarossa“ genannten Herrschers sind rot, wie es sein Biograf Otto von Freising (um 1112 bis 1158) berichtete.

Die Miniatur in der sogenannten Weingartner Welfenchronik entstand wenige Jahre vor seinem Tod (1190). Das Bild ist die wichtigste Darstellung der Verbindung von schwäbischer Herzogswürde und Reichsherrschaft. Es stammt aus dem alten Hauskloster der Welfen, Weingarten bei Ravensburg. Kaiser Barbarossa, der Sohn einer Welfin, hatte kurz zuvor den süddeutschen Besitz der Welfen geerbt und konnte dadurch die staufische Machtbasis in Schwaben ausbauen.
Während seiner langen Regierungszeit von 1152 bis 1190 hielt Friedrich Barbarossa sich des Öfteren im Herzogtum Schwaben auf, besonders in Ulm und Konstanz. Die Bischofsstadt am Bodensee war häufiger Schauplatz für die Regelung italienischer Angelegenheiten. Dazu gehörte etwa der Friedensschluss von 1183 mit dem lombardischen Städtebund, gegen den der Kaiser jahrelang Krieg geführt hatte. Diese Kämpfe mehrten den Ruf seiner besonderen Tapferkeit. 

Spätzlezubehör. © Landesmuseum Württemberg, Stuttgart; Foto: Hendrik Zwietasch.

Schwaben 2.0 Landesmuseum geht mit Online-Strategie für Große Landesausstellung neue Wege

Wie hat der letzte Stuttgart-Tatort gefallen, was ist das beste Spätzlerezept und gibt es die Kehrwoche nun auch in Berlin? Das Netz ist voll mit Tweets, Fotos und Videos zum Thema Schwaben, ein Thema das offenbar bewegt und wo es immer etwas zu posten gibt. Das Landesmuseum Württemberg greift diese Popularität für die Kommunikation der Großen Landesausstellung über die Online Kanäle Facebook, Google+, Twitter, YouTube und Instagram auf. Unter einem eigenen Ausstellungshashtag #lmwschwaben kann jeder in der Web-Öffentlichkeit mitreden. Die Beiträge erscheinen zusätzlich auf einer in die Museumshomepage eingebetteten Social-Media Wall, auf der es online auch außerhalb der Öffnungszeiten schwäbisch zugehen soll. Ein Bild, eine Headline – das Meme war geboren: Diesen Netztrend nutzt das Museum in einer wöchentlichen Serie, um die Stars der Ausstellung, die Objekte und Themen, in Szene zu setzen. So wird aus einer Spätzlespresse etwa „Schwäbische Hardware“ und aus der Maultasche die „Schwäbische It-Bag“. Kulinarisch geht es in der zweiten Hälfte der Laufzeit weiter, wenn sich nicht nur in der Meme-Reihe alles um schwäbische Herzensangelegenheiten dreht. Eine dreiteilige Videoreihe knüpft an den „DIY-Trend“ an und bietet unter dem Motto „Typisch Schwäbisch?#“ in jeweils einer Minute Schnelldurchlauf eine Anleitung zum Brezel-Backen, Spätzle-Zubereiten und Maultaschen-Füllen.

Mehr über die Ausstellung erfahren Sie auf der Seite des Landesmuseums Stuttgart.