Münzstätten, Münztechnologie, Münzproduktion

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von Ursula Kampmann

11. Juni 2015 – DAMIN, das Projekt zu Silberabwertung im internationalen Vergleich, ist ein Projekt der etwas anderen Art. Es bietet Raum für viele Themen, Hauptsache, sie sind interdisziplinär, international und interessant. Der jüngst im Rahmen des Projektes abgehaltene Kongress in Kopenhagen war ein Beispiel dafür, dass DAMIN sich als Forschung auf dem Weg begreift. Im Zentrum stehen nicht würdige Professoren, die sich seit Jahrzehnten auf ihre Methode festgelegt haben, sondern neugierige Wissenschaftler, jung und alt, völlig gemischt, aus den unterschiedlichsten Disziplinen, die mit staunenden Augen einen Blick auf geldgeschichtliche Phänomene werfen und sich überlegen, wie sich diese erklären lassen.
Typisch für DAMIN ist nicht nur der Enthusiasmus der Beteiligten, sondern auch die eiserne Disziplin, der sich alle Sprecher unterwerfen (müssen). Und damit sind nicht die exakt 20 Minuten gemeint, die der Redner für seinen Vortrag hat. Jeder Teilnehmer liefert bereits ein halbes Jahr vor dem Kongress ein Abstract seines Beitrags ab und reicht die schriftlich ausgearbeitete Fassung noch vor dem Kongress ein. Dabei ist jeder für seine Arbeit selbst verantwortlich. Ein wissenschaftliches Rektorat wird nicht durchgeführt. Nur so ist es möglich, dass die Akten zum Kongress vom Ende Mai bereits im Juli erscheinen werden.
Wer sich den Band kaufen möchte: Er erscheint in der MONETA-Reihe als Nummer 191 und kann bereits bestellt werden.

Herz und Seele von DAMIN: Professor Georges Depeyrot. Foto: Thomas Crognier.

Herz und Seele des Kongresses war Georges Depeyrot vom French National Centre for Scientific Research. Wer sich mit numismatischer Literatur auskennt, wird darüber verblüfft sein, denn sein Arbeitsgebiet war traditionell eher die römische, keltische und merowingische Numismatik. Nichtsdestotrotz ist er Spiritus Rector des auf die Neuzeit konzentrierten DAMIN-Projekts.

Dr. Michael Märcher, Münzkabinett Kopenhagen. Foto: Thomas Crognier.

Gastgeber des Kongresses war das Dänische Nationalmuseum mit seinem berühmten Münzkabinett (oder gibt es irgendjemanden, dem SNG Cop. nichts sagt?). Dr. Michael Märcher führte professionell, charmant und gastfreundlich durch die beiden Tage, die so ganz nebenbei einen kulinarischen Überblick zur dänischen Küche boten.

Ich werde in diesem Beitrag einen Überblick geben zu den Themen, die während des Kongresses behandelt wurden. Wer sich ausführlicher dafür interessiert, der sei auf die DAMIN-Website verwiesen, auf der alle, von den Autoren selbst verfassten Abstracts zu finden sind. Außerdem werden noch im Sommer alle in Kopenhagen gehaltenen Vorträge im Internet online zu sehen sein. Wir werden Sie in der MünzenWoche darauf aufmerksam machen.

Ivar Leimus, Estonian History Museum, Talinn. Foto: Thomas Crognier.

Ivar Leimus aus Estland war der erste Sprecher. Er stellte einen Katalog der Münzmeister von Tallinn im 16. und 17. Jahrhundert vor, der die internationalen Verbindungen dieser Männer illustrierte. Sie kamen alle aus dem Ausland, zumeist aus Deutschland, hatten davor viele andere Länder gesehen und reisten oft von Talinn weiter zu anderen Aufgaben im Ausland.

Viktor Dabolins, National History Museum of Latvia, Riga. Foto: Thomas Crognier.

Einen Münzmeister der Münzstätte Riga stellte Viktor Dabolins aus Lettland vor. Jost Haltermann war zwar Münzmeister in den Jahren zwischen 1660 und 1663, doch sind keine Prägungen von ihm bekannt. Dies liegt daran, dass der Wardein der Münzstätte und spätere Münzmeister Jochim Meineke auf den Münzstempeln verantwortlich zeichnete. Der Referent gab einen kleinen Einblick in die Funktionsweise der Münzstätte von Riga, um dieses Phänomen zu erklären.

Claudia Jefferies, geborene Mexikanerin, Studium in Freiburg und Basel, heute an der City University of London. Foto: Thomas Crognier.

Mit einer offenen Frage wandte sich Claudia Jefferies an ihr Publikum. Während Segovia bereits 1583 über das Walzprägewerk verfügte, führte man diese Technologie in Mexiko City erst im Jahre 1732 ein. Warum dauerte der Technologie-Transfer in diese Ecke des spanischen Weltreichs derart lange?
Die Referentin konnte nachweisen, dass man das moderne Walzprägewerk in Mexiko wohl einfach nicht brauchte, weil ein großer Teil des Geldverkehrs über andere Kanäle abgewickelt wurde, die den Händlern, die gleichzeitig für die Münzstätte verantwortlich waren, wesentlich bessere Renditen boten.

Dennis Flynn, University of the Pacific, California, und Gastgeber des nächsten DAMIN-Kongresses. Foto: Thomas Crognier.

Dennis Flynn entführte die Teilnehmer in die Welt der Wirtschaftstheorie. Wie ist das mit lokal funktionierendem Geld? Und ist international funktionierendes Geld nicht etwas ganz anderes? Ein Statement jedenfalls war klar: Gängige Wirtschaftsmodelle lassen sich auf keinen Fall auf historische Vorgänge übertragen. Wenn man dagegen die verschiedenen Sorten von Geld besser voneinander unterscheiden würde… Die Zeit war viel zu kurz, um alle Implikationen auszuformulieren.

Cecilia von Heijne, Königliches Münzkabinett, Stockholm. Foto: Thomas Crognier.

Gitte Tarnow Ingvardson und Cecilia von Heijne brachten die Hortfunde mit in die Diskussion. Erstere stellte den anlässlich einer dänischen Invasion im Juni 1676 entstandenen Fundhorizont anhand der Hortfunde von Todarp vor und kam zum Schluss, dass die verschiedenen Funde auf geographisch engstem Raume vollständig unterschiedliche wirtschaftliche Realitäten wiederspiegeln.
Cecilia von Heijne stellte die Gretchenfrage: Was kann man über die Münzzirkulation lernen, wenn ein vollständiges Inventar aller Fundmünzen eines Gebiets vorliegt? Wie haben sich Fragen und Antworten verändert? In wie weit kann man die früher entstandenen Kataloge für die neuen Fragestellungen nutzen?

Jin CAO, Department of Chinese and Korean Studies, Tübingen / China. Foto: Thomas Crognier.

Einen Blick in eine fremde Welt gewährte Jin CAO, die sich mit dem Guss von Cash-Münzen im mittelalterlichen China beschäftigte. Wo die europäische Technologiegeschichte sich mehr schlecht als recht mit immer den gleichen Abbildungen und wenigen Texten behelfen muss, gibt es aus dem mittelalterlichen China eine Fülle von Quellen, die nur auf ihre Interpretation warten. Wie reich die chinesische Münzgeschichte ist, und wie wenig hierzulande noch darüber bekannt ist, das konnte man aus dem Vortrag der jungen Wissenschaftlerin lernen. Sie berichtete exakte Einzelheiten zum Gussprozess, zur Organisation der Münzstätten, zu den täglichen Prägezahlen und vielem mehr.

Rita Martin de Sousa, Lisboa School of Economics and Management, University of Lisbon. Foto: Thomas Crognier.

Rita Martin de Sousa beschäftigte sich mit der Münzstätte von Lissabon, die ja immer direkt unter königlicher Kontrolle stand. Sie zeigte auf, in wie weit monetäre Veränderungen bei der Einführung des Goldstandards einhergingen mit technologischen Neuerungen. Vor allem die kleinen Goldmünzen mit geringem Gewicht stellten hohe Anforderungen an die Prägekunst.

Ursula Kampmann. Foto: Thomas Crognier.

Einen kleinen Schock verursachte der Vortrag der Autorin dieses Artikels bei den anwesenden Wissenschaftlern – vor allem wenn sie ihre historischen Prägezahlen mit dem modernem Münzausstoß verglichen. Der Beitrag gab einen Überblick dazu, wie Münzprägung heute funktioniert. Dazu setzte er sich kritisch mit den aus der Technik für die Münzen resultierenden Konsequenzen auseinander und sprach über die Gründe, warum die Münzprägung sich aktuell in dieser Richtung bewegt.

Sie können den gesamten Vortrag als Artikel der Woche lesen.

Jason Lennard, Lund University. Foto: Thomas Crognier.

Wie viel Geld war eigentlich im Vereinigten Königreich zwischen 1841 und 1870 im Umlauf? Welche Probleme sind mit einer realistischen Schätzung des monatlich umlaufenden Geldes verbunden? Der Vortrag von Sean Kenny und Jason Lennard war ein Beispiel dafür, dass Forschung solide Zahlen braucht, um daraus ihre Schlüsse zu ziehen. Allerdings sind diese Zahlen schwer zu gewinnen. Die jungen Wissenschaftler durchstöberten dafür das Archiv der Bank of England, die Unterlagen des Britischen Parlaments und der königlichen Münzstätte.

Ekaterina Svirina, Financial University, Moscow. Foto: Thomas Crognier.

Ekaterina Svirina vollbrachte das Kunststück, die komplexen Zusammenhänge des Geldumlaufs im russischen Reich herauszuarbeiten und zu beschreiben. Warum prägte welche Münzstätte welche Nominale in welchem Zeitraum? Welche Rolle spielten die niedrigwertigen Kupfermünzen, das Silber und vor allem das hohe Werte ausdrückende Papiergeld? Warum gab es diese verschiedenen Wechselkurse zwischen Münzen und Papiergeld? Die Referentin machte jedem Zuhörer klar, wie anspruchsvoll viele Fragen der Geldgeschichte der Moderne sind – und dass noch nicht einmal ein Bruchteil der Fragen überhaupt gestellt, geschweige denn beantwortet sind.

Farblich abgestimmt: Katerina Bregianni, Akademie von Athen. Foto: Thomas Crognier.

Ein interessantes Beispiel dafür, wie stark die Bilder auf unserem Geld von dem Engagement einzelner Beamter abhängen, stellte Katerina Bregianni mit einer Serie von griechischen Banknoten vor, die in Frankreich hergestellt wurden, und zu denen der Schriftverkehr erhalten geblieben ist.

Nach ihr gab Hedi Saidi, University of Lille, einen kurzen Überblick zur Geschichte der tunesischen Numismatik.

Jens Christian Moesgaard, National Museum Denmark. Foto: Thomas Crognier.

Jens Christian Moesgaard stellte zusammen, was archäologisch von der mittelalterlichen Münzstätte von Lund übrig geblieben ist. Es ist nicht allzu viel; und das meiste kann nicht einmal sicher mit der Münzstätte in Verbindung gebracht werden. Münzstätten scheinen kein ergiebiges Thema für die Archäologie zu sein.

Svein Gullbekk, Museum of Cultural History, Oslo. Foto: Thomas Crognier.

Den Abschluss machte Svein Gullbekk. Er fasste die Trends der Forschung zusammen und stellte die Fragen, die erst noch beantwortet werden müssen. Er lobte die Internationalität des DAMIN-Ansatzes, der auch in diesem Kongress zum Tragen gekommen sei. Damit habe man einen gewaltigen Teil der Welt erfasst, allerdings seien Asien, der Pazifik und vor allem Afrika immer noch Stiefkinder der Forschung.
Völlig fehlte ihm der Gender-Aspekt, also in welcher Art und Weise und vor allem seit wann Frauen in die Produktion der Münzstätten einbezogen worden seien. Tatsächlich gibt es – trotz der allgegenwärtigen Frauenforschung – in der Numismatik bis heute keinen einzigen Artikel zu diesem Thema.

Die Kongressteilnehmer: Foto: Thomas Crognier.

Es war ein straffes Programm, das trotzdem durch viele Pausen unterbrochen wurde. Sie gaben den Teilnehmern die Möglichkeit, sich ein bisschen besser kennenzulernen.

Georges Depeyrot und Claudia Jefferies. Foto: Thomas Crognier.

Die dänische Sitte, zum Essen etwas Alkoholisches zu reichen, tat ein Übriges, so dass es niemandem gelang, wirklich steif zu bleiben. Hatten sich nur ein Teil der Teilnehmer bereits vor dem Kongress gekannt, waren nach dem Kongress viele numismatische Freundschaften entstanden, die sicher noch Jahre nachwirken werden.

Der nächste DAMIN-Kongress wird im Mai 2016 in Kalifornien stattfinden. Passend dazu wird das Thema um Gold- und Silberbergwerke kreisen.

Alles zum Kongress in Kopenhagen mit Abstracts aller gehaltenen Artikel finden Sie hier.

Sie können alle Vorträge, die bis einschließlich 2014 anlässlich DAMIN-Kongressen gehalten wurden, im Internet ansehen. Im Sommer wird zusätzlich der Kongress von Kopenhagen vollständig ins Netz gestellt.

Mehr zu DAMIN erfahren Sie in einem eigenen Artikel.

Außerdem stellen wir Ihnen die numismatische Seite von Kopenhagen vor.