MenschenGesichter Teil 36: Der Kaiser, in dessen Reich die Sonne nie unterging


mit freundlicher Genehmigung des MoneyMuseum, Zürich

Warum galt der Kopf jahrhunderte-, nein, jahrtausendelang als das Motiv einer Münzseite schlechthin? Und warum hat sich dies in den letzten 200 Jahren geändert? Das fragt Ursula Kampmann in ihrem Buch „MenschenGesichter“, dem die Texte unserer Serie entnommen sind.

Karl V., König von Spanien (1516-1556), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (ab 1519). Halber Ducato, um 1552. Gepanzertes Brustbild Karls mit Lorbeerkranz n. r. Rs. Wappen Karls V. auf gekröntem Doppeladler. © MoneyMuseum, Zürich.

Was für eine langweilige Münzrückseite, so könnte man meinen. Karl V. hätte sich wirklich ein spannenderes Motiv aussuchen sollen. Das Wappen scheint uns nichtssagend, weil wir verlernt haben, darin zu lesen. Dem zeitgenössischen Betrachter dagegen schilderte es die unvergleichliche Bedeutung des Prägeherrn unserer Münze.

Im Wappen sehen wir die Länder, die Karl V. über seine Mutter Johanna, genannt die Wahnsinnige, erbte. Sie war das einzige Kind von Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragón. Von Isabella kamen Kastilien und das damit verbundene Leon, von Ferdinand Aragón und die Herrschaft über Katalonien und Navarra. Ganz unten im Wappenschild sehen wir einen Granatapfel, Symbol für Granada, das Isabella und Ferdinand im Jahre 1492 den Mauren abnahmen.

Das linke untere Feld ist mit dem Wappen eines der Länder ausgefüllt, die der Vater Karl V. vermachte. Friedrich der Schöne war der einziger Erbe von Kaiser Maximilian und Maria von Burgund. Vom väterlichen Besitz ist in unserem Wappen nur Österreich heraldisch repräsentiert. Das mag daran liegen, dass Karl die Herrschaft über die meisten Besitzungen seines Großvaters in einer Erbteilung 1522 an seinen Bruder Ferdinand I. abtrat, weil der sein Versprechen gehalten hatte, auf eine Kandidatur als deutscher Kaiser zu verzichten.

Herrschaftsbereich Karls V. (Weinrot: Kastilien / Rot: Besitzungen Aragons / Orange: Burgundische Besitzungen / Gelb: Österreichische Erblande / Blassgelb: Heiliges Römisches Reich). Quelle: Lucio silla/Paul2 / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en

Drei Felder sind den Besitzungen gewidmet, die Karl von seinem Urgroßvater Karl dem Kühnen erbte: Neuburgund, Altburgund und Brabant.

Die rechte Hälfte des unteren Wappenteils ist einer Neuerwerbung der Habsburger gewidmet: Ungarn, das seit dem Tode seines Königs in der Schlacht von Mohacs 1526 zum Reich der Habsburger gehörte. Ferdinand I. war dort durch einen Erbvertrag König geworden.

Geprägt wurde dieses Stück in Neapel und es verwundert, dass das Wappen der beiden Sizilien fehlt. Denn diese Gebiete gehörten als Teil von Aragón ebenfalls zu Karls Reich. Doch hier ergänzt die Umschrift das im Wappen Fehlende. Sie lautet (in Übersetzung): „König von Aragón und beider Sizilien“.

Tizian (oder Lambert Sustris), Porträt Karls V., 1548. Quelle: Wikicommons.

Karl nennt auf dieser Münze also nur einen winzigen Ausschnitt seiner Besitzungen, und zwar gerade diejenigen, auf denen seine Macht im Wesentlichen beruhte. Die Neue Welt, die wir heute für so entscheidend halten, war dabei für Karl noch nicht der Rede wert.

In der nächsten Folge lernen Sie, wie Franz I., König in Frankreich, vergeblich versucht, Karls Reich anzugreifen.

Alle Teile der Reihe finden Sie hier.

Das Buch „MenschenGesichter“ gibt es in gedruckter Form und als ebook auf der Seite des Conzett Verlages.