Le Monde byzantin – Fast die ganze byzantinische Welt

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von Marcus Stauber

11. Dezember 2014 – Historische Reihen haben ihren festen Platz im privaten und wissenschaftlichen Alltag, wenn es darum geht, gezielte Informationen zu historischen Phänomenen zu erhalten, die über das blanke Lexikonstichwort hinausgehen und straffer konzipiert sein sollen als allzu detaillierte Einzeluntersuchungen. Über großes Renommee verfügen in dieser Sparte etwa die „Cambridge Histories“, im deutschsprachigen Raum erfreut sich die reichlich in die Jahre gekommene „Fischer Weltgeschichte“ nach wie vor einiger Beliebtheit.
Das französische Pendant dazu ist die „Nouvelle Clio. L’histoire et ses problèmes“. Und in eben dieser Reihe erschienen zwischen 2004 und 2011 drei Bände, die es sich zur Aufgabe machten, die komplexe Welt von Byzanz Forschern und Sammlern auf aktuellem Stand besser zugänglich zu machen. Allein dass dies in drei Bänden, und nicht wie in den meisten historischen Überblicken, mit nur einem Band geschieht, zeugt vom Willen der Autoren, es genau zu nehmen.

Die Verfasser der drei Bände sind international tätige Fachleute mit teils langjähriger, einschlägiger Forschungstätigkeit. Auch die Herausgeber Cécile Morrisson, Jean-Claude Cheynet und Angeliki Laiou bürgen für Qualität, und während Cheynets Name eng mit der byzantinischen Siegelkunde verknüpft ist, so ist Cécile Morrisson einer der wenigen ganz großen Namen der byzantinischen Numismatik und bedarf keiner weiteren Vorstellung.

Cécile Morrisson (Hrsg.), Le Monde byzantin. Bd. 1: L’Empire romain d’Orient (330-641). Nouvelle Clio. L’histoire et ses problèmes. Paris, Presses universitaires de France, 2. Auflage, 2012. Paperback, 21,7 x 15,1 cm, 489 S. ISBN: 978-2-13-059559-5. Preis: 34 Euro.

Das Gesamtthema Byzanz wird durch die drei Bände in drei Großepochen geteilt: „Le Monde byzantin I. L’Empire romain d’Orient (330-641)“ behandelt die langsame Entwicklung eines eigenständigen oströmischen Reiches von der Weihe Konstantinopels unter Konstantin dem Großen bis zum Tode Kaiser Heraclius’, dessen Regierungszeit von der finalen Auseinandersetzung mit den Sasaniden und dem Aufkommen der muslimischen Araber geprägt wurde.

Jean-Claude Cheynet (Hrsg.), Le Monde byzantin. Bd. 2: L’Empire romain d’Orient (641-1204). Nouvelle Clio. L’histoire et ses problèmes. Paris, Presses universitaires de France, 2006. Paperback, 21,7 x 15,1 cm, 544 S. ISBN: 978-2-13-052007-8. Preis: 44 Euro.

Band 2, „L’Empire byzantin (641-1204)“, schließt daran an und beschreibt die mittelbyzantinische Zeit bis zur Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer im Jahre 1204.

Angeliki Laiou (+) und Cécile Morrisson (Hrsgg.), Le Monde byzantin. Bd. 3: L’Empire grec et ses voisins (XIIIe-XVe siècle). Nouvelle Clio. L’histoire et ses problèmes. Paris, Presses universitaires de France, 2011. Paperback, 21,7 x 15,1 cm, 494 S. ISBN: 978-2-13-052008-5. Preis: 35 Euro.

Den Abschluss bildet Band 3, „L’Empire grec et ses voisins (1204-1453)“, in dem das zähe Ringen um Eigenständigkeit und Überleben des zuerst geteilten und dann unaufhörlich schrumpfenden Reiches dargestellt wird. Diese Geschichte endet 1453, mit der Eroberung Konstantinopels durch die osmanischen Türken, nicht ganz – zu sehr hatte die Kulturgroßmacht Byzanz in seiner tausendjährigen Geschichte nicht nur Osteuropa seinen Stempel aufgeprägt.

Aber es sind keine Erzählbücher, sondern hervorragend recherchierte, kompakte Zusammenfassungen des aktuellen Forschungsstandes quasi aller byzantinistischer Teildiziplinen: Neben der Ereignisgeschichte findet der Leser in jedem Einzelband aufeinander aufbauende Kapitel zu Themen wie Kaisertum, Religion und Kirche, Verwaltung, Volk und Bevölkerung, Militär, Kunst und Kultur in Wort und Bild. Den Abschluss jeden Bandes bildet eine besonders interessante Vorstellung wichtiger Reichsprovinzen mit ihren jeweils eigenen geographischen, historischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bedingungen. Und natürlich informiert auch jeder Einzelband in einem eigenen Kapitel von gut 20 Seiten über die Wirtschafts- und damit Münzgeschichte des jeweiligen Zeitabschnittes. Verfasserin dieser und weiterer Kapitel ist C. Morrisson.

Die Reihe „Le Monde byzantin“ ist nicht bebildert, verfügt aber über ungefähr acht Karten pro Band. Ein sorgfältiges Stichwortverzeichnis und unzählige Literaturangaben auf jeweils rund 50 Seiten erschließen die Bände und weisen den interessierten Leser bei offenen Fragen weiter.
Natürlich ist diese französische Publikation in französischer Sprache. Aber es lohnt sich, für diese Bücher das alte Schulfranzösisch wieder zu aktivieren. Denn es folgten zwar kurz nach dem jeweiligen Erscheinen Übersetzungen etwa ins Italienische (in der Hardcover-Ausgabe sogar bebildert), Polnische oder Griechische und Türkische, eine Übersetzung ins Deutsche scheint hingegen nicht geplant zu sein. Das ist umso bedauerlicher, als es sich bei diesen Bänden um hervorragende Arbeiten handelt, die weder der deutsche noch der englischsprachige Markt in dieser Aktualität, Detailfülle und zu diesem Preis zu bieten hat. Regulär kosten die Bände 34, 44 und 35 Euro.