„Klimpern“auf dem Schulgelände. Eine kleine Weihnachtsgeschichte

von numiscontrol

20. Dezember 2012 – Es gibt Dinge im Leben, die man gerade in der Kindheit nicht tun sollte. Allerdings werden, gerade in der Kindheit, solche Dinge immer interessanter, und man hat den Drang, es doch zu tun. Wenn dann noch ein bestimmtes Spiel an einem bestimmten Ort verboten war, gaben wir dem Verbot, egal wer es erlassen hatte, keine Chance. Ein scheinbar vergessenes Spiel mit DDR-Pfennigen, das „Klimpern“, war zu meiner Kindheit äußerst beliebt und doch ein Streitobjekt zwischen Schule und Elternhaus geworden.
Wir Schüler lebten ganz gut zwischen den Fronten, klimperten fleißig weiter, während der Direktor Briefe an die Eltern schrieb. Darin war von der mutwilligen Beschädigung von Volkseigentum (die Hauswand der Schule) und unerlaubtem Glücksspiel mit Geld die Rede. Unsere Eltern sahen das alles etwas gelassener. Denn dass man mit dem Werfen von Pfennigen gegen eine Schulhauswand Schaden anrichten konnte, glaubten sie nicht, dafür hielten auch sie unsere DDR-Währung nicht für stabil genug.

Foto: Angela Graff.

Was war das nun für ein so gefährliches Glücksspiel, das uns Kinder zum krankhaften Zocker ausbildete, und durch dessen Spiel in der großen Pause auf dem Hof vermeintlich sogar das Schulgebäude einstürzen könnte?

Das Spiel
Fünf Schüler spielten gegeneinander. Jeder hatte zu Beginn des Spieles zehn einzelne Pfennigstücke in der Hand. Dann brauchte man noch eine glatt verputzte Hauswand. Etwa fünf Schritte vor der Wand wurde ein Strich gezogen, dieser diente als Aufstelllinie.
Die Aufgabe bestand nun darin, ein Pfennigstück in Richtung Wand zu werfen und damit möglichst nahe an die Wand zu kommen. Jeder der fünf Spieler warf eine Münze in Richtung Wand. Prallte die Münze dabei gegen die Wand, war das kein Problem. Hatte jeder seine Münze geworfen, ging man zur Wand, begutachtete den Wurf und legte die Platzierung fest. Der Spieler, welcher mit seiner geworfenen Münze der Wand am nächsten war, konnte sich nun zurücklehnen und abwarten.
Die Anderen überlegten inzwischen, ob es möglich wäre, dem bisherigen Sieger mit einem besseren Wurf den ersten Platz abzujagen. Jeder konnte dazu nun seine restlichen neun Pfennige einsetzen. Dabei wurde genau auf die Lage seiner Münze geachtet, manche waren auch schon vom Eigentümer farblich markiert. Weitere Würfe brachten eventuell einen neuen Sieger, aber es gingen auch einige fehl. Wollte keiner mehr einen Wurf wagen, wurden nochmals Sieger sowie die weiteren Platzierungen festgelegt. Der Sieger durfte sich nun alle geworfenen Stücke einsammeln, allerdings hatte er diese noch lange nicht gewonnen!

Das Werfen der Münzen nach festgelegtem Ritual
Der Sieger fügte die Münzen zu einer Rolle und legte sich diese zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand. Mit einem Ruck, musste er nun die Münzrolle hochwerfen und dabei die Hand mit dem Handrücken noch oben ausstrecken. Dabei sollte er versuchen, möglichst viele der Münzen aufzufangen. Hier „klimperte“ es schon mächtig, und viele nicht aufgefangene Münzen lagen nun wieder auf der Erde. Die Pfennige aber, welche noch auf dem Handrücken lagen, warf der Sieger erneut hoch, um gleichzeitig nach ihnen zu greifen. Was er nun mit der Hand aufgefangen hatte, war endlich sein Gewinn. Die Münzen, welche heruntergefallen waren, durfte sich der Zweitplazierte nach dem gleichen Ritual erkämpfen. Dann begann das Spiel, wenn noch Pause war, von vorn. Wer keine Münzen mehr hatte, schied aus.

Wir spielten zu jeder Jahreszeit, und es gab darin kleine Meisterschaften. Um die Weihnachtszeit, wenn Schnee auf dem Schulhof lag, konnte man nach der Pause im zertretenen Schnee an der Häuserwand viele Orte der „Spielhöllen“entdecken. Die Lehrer waren machtlos, denn die Spieler waren meist durch eine große Anzahl Zuschauer gut abgeschirmt. Kam ein Lehrer dann doch einmal verdächtig nahe, waren die Pfennige schnell in der Hosentasche verschwunden.
Komisch fand ich es damals, dass man fast ausschließlich auf dem Schulhof spielte. Nach dem Unterricht sah man kaum Kinder an einer Hauswand stehen, um diesem Spiel zu frönen. Es lag wohl im Reiz des Verbotenen. Den Hauswänden hat das Werfen mit Pfennigen sicher nicht geschadet, denn unser altes Schulgebäude steht noch heute. Das „Klimpern“, ist dagegen aus der Mode gekommen. Vielleicht würden ja erneute Verbote das Spiel wieder interessant machen …

Auf dem letzten Klassentreffen haben wir allerdings wieder „geklimpert“ und mussten feststellen, dass man das Spiel auch mit dem 1-Cent-Stück spielen kann. Schnell waren wir Alten von einigen Schülern umringt, und das Spiel erlebte seine Renaissance. Eine Anzeige wegen Sachbeschädigung an einem Schulgebäude gab es übrigens auch dieses Mal nicht. Es scheint doch ein harmloses Spiel zu sein, das auch Sie mit Ihren Kindern oder Enkeln einmal ausprobieren sollten!

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gesegnete Weihnachtszeit.

Von dem Spiel gibt es übrigens so viele Varianten wie unterschiedliche Namen, manch einer mag es kennen als Fuchsen.