Eine numismatische Reliquie des Wunders von Bern

Am 22. November 2011 wird im Auktionshaus Rapp in Wil eine numismatische Reliquie eines sporthistorischen Ereignisses versteigert, an das sich heute noch ganz Deutschland erinnert. Am 4. Juli 1954 besiegte im Berner Wankdorf-Stadion die deutsche Nationalmannschaft die hoch favorisierten Ungarn 2:3. Dieser unerwartete Sieg wird gelegentlich als der Beginn des deutschen Wirtschaftswunders bezeichnet, weil die Freudenstürme, die er in Deutschland auslöste, die Resignation der Nachkriegszeit beendeten.

„Aranycsapat“, die Goldene Elf. Skulptur von Kalmár Márton. Quelle: Wikipedia.

Die beiden Medaillen, die bei Rapp angeboten werden, stammen aus dem Besitz Lászlo Budais II, einem Stammspieler der ungarischen Nationalmannschaft, die als die „Goldene Elf“ bezeichnet wird. Sie zeugen von einem Höhenflug des ungarischen Fußballs, wie er seitdem nie wieder erreicht wurde. „Windhund“ Horst Eckel, 1954 Stürmer der deutschen Nationalmannschaft, schildert die Erfolge der Magyaren folgendermaßen: „Die ungarische Nationalmannschaft der 50er Jahre rund um Kapitän Ferenc Puskás formte sich zu einer der besten Fußballmannschaften, die es je gab. Zu unserer Zeit war es in jedem Fall, wenn man alle Spiele betrachtet und die Gesamtleistung bewertet, die beste Fußball-Mannschaft der Welt. Sie wurde zu Recht mit dem Beinamen „Goldene Mannschaft“ bezeichnet. Auch heute noch ist sie vielen Fußballfans namentlich bekannt.

Die Serie begann am 4. Juni 1950, als sie in Warschau Polen mit 5:2 besiegten. Den ersten großen Titel feierte diese sogenannte Wunderelf 1952 bei den Olympischen Spielen in Helsinki, als man im Finale Jugoslawien mit 2:0 besiegen und somit die Goldmedaille gewinnen konnte. Den nächsten Erfolg verbuchten sie 1953, als sie den seit 1948 ausgetragenen Europapokal der Fußball-Nationalmannschaften gewannen. Der Europapokal war ein Vorläufer der Fußball-Europameisterschaft, an dem neben Ungarn Italien, Österreich, die Schweiz und die Tschechoslowakei teilnahmen.

Das entscheidende letzte Spiel wurde am 17. Mai 1953 in Rom vor 80.000 Zuschauern mit 3:0 gegen Italien gewonnen. Puskás war mit zehn Toren Torschützenkönig des Wettbewerbs. Am 25. November 1953 folgte dann das vielleicht spektakulärste Spiel der Goldenen Elf, das man bald nur noch das Jahrhundertspiel oder einfach nur Das 6:3 nannte. Ungarn traf im Wembley-Stadion auf die bis zu diesem Zeitpunkt in Heimspielen noch ungeschlagenen Engländer. Das Ergebnis war ein überlegener 6:3-Sieg. Die Ungarn zeigten begeisternden Offensiv-Fußball und eine 4-2-4-Aufstellung, die als revolutionär für die damalige Zeit galt. Das Spielsystem der Goldenen Elf war aber meist ein 3-2-5, also mit fünf Stürmern.

Die ungarische Nationalmannschaft reiste schließlich 1954 als Favorit zur Weltmeisterschaft in die Schweiz. Die Gruppenphase wurde problemlos überstanden, im zweiten Spiel Deutschland mit 8:3 deklassiert. Im Viertelfinale besiegte man Vizeweltmeister Brasilien, im Halbfinale Weltmeister Uruguay jeweils mit 4:2. Im Endspiel in Bern traf man erneut auf die deutsche Mannschaft. In einem dramatischen Finale verloren die Ungarn völlig überraschend nach einer 2:0-Führung noch mit 2:3. Dies war die erste Niederlage der Goldenen Elf seit über vier Jahren. Sie löste in ganz Ungarn Enttäuschung und Verbitterung aus. Dennoch begann die Elf einen erneuten Siegeslauf, der sich bis 1956 fortsetzt, als man gegen die Türkei verlor.“

Goldmedaille der Olympiade 1952 in Helsinki aus dem Besitz von Lászlo Budai. Das Stück kommt am 22. November 2011 bei der Firma Rapp in Wil zur Versteigerung und ist mit 4000-6000 CHF geschätzt.

Das Auktionshaus Rapp kann die olympische Goldmedaille anbieten, die László Budai 1952 in Helsinki gewann. Sie wurde von dem italienischen Künstler Giuseppe Cassioli und dem Finnen Aukusti Tuhka geschaffen. Das Stück zeigt auf der Vorderseite eine antikisierende, sitzende Victoria, die in der rechten Hand den Siegeskranz, im linken Arm die Siegespalme hält. Im Hintergrund sieht man ein antikisierendes Gebäude, das als Kolosseum gedeutet wird (was dies allerdings mit friedlichen Spielen zu tun haben soll, darüber schweigen wir besser…). Auf der Rückseite tragen Männer in heroischer Nacktheit den ebenfalls nackten Sieger auf ihren Schultern. Der Sieger hält in der linken Hand die Siegespalme, die rechte ist im Gestus der Ansprache erhoben.
Natürlich ist die „Goldmedaille“ nicht aus purem Gold, sondern aus vergoldetem Silber. Das Material für die Silber- und Goldmedaille stiftete damals der finnische Stahlproduzent Vuoksenniska Oy. Die Medaille prägte nicht die finnische Münzstätte, wie es zu erwarten gewesen wäre, sondern der heute noch existierende Schmuckproduzent Kultakeskus Oy.

Mit 4000 bis 6000 CHF wird die Silbermedaille geschätzt, die Lászlo Budai 1954 in Bern verliehen wurde. Sie wird ebenfalls am 22. November 2011 versteigert.

Wesentlich kleiner kommt die Silbermedaille daher, die 1954 den Ungarn verliehen wurde. Auch wenn Budai selbst nicht im Endspiel antrat, erhielt er als Mitglied der Mannschaft eines der begehrten Abzeichen. Auf der Vorderseite ist unter der Aufschrift FIFA eine ägyptisierende Siegesgöttin mit Flügeln zu sehen, die in beiden Händen Siegespalmen hält und auf einem Podest steht, das die Weltkugel zeigt. Sie ist eine Umsetzung des wandernden Coupe Jules Rimet, der bis 1970 dem jeweiligen Weltmeister übergeben wurde. Über ihrem Kopf ist Siegeslorbeer, und der liegt – als Kranz und als Zweig – auch in einer kleinen Nische, vor der sie sich präsentiert. Im unteren Drittel des Abzeichens sehen wir zwei Fußbälle.
Die Rückseite zeigt einen Eichenkranz, darüber die Aufschrift Weltmeisterschaft in französischer Sprache, darunter Coupe Jules Rimet, von 1921-1954 Präsident der FIFA. Rimet gilt als Erfinder der Fußball-Weltmeisterschaft, die 1950 zu seinen Ehren in Coupe Jules Rimet umbenannt wurde. Darunter finden wir Austragungsort und Jahr sowie die Punzen PEKA und 0.923 für den Silbergehalt.
Paul Kramer aus Neuchatel hat diese Medaille geschaffen.

László Budai, geboren am 19. Juli 1928 in Budapest, spielte zunächst für Ferencváros Budapest, dem Fußballverein des 9. Bezirks von Budapest, dem Rekordmeister und erfolgreichsten Club Ungarns, der auch 1949 – mit Budai – Ungarischer Meister wurde. Als die Kommunisten in Ungarn die Macht übernahmen, wurden Budai für Honvéd verpflichtet. Honvéd war der Fußballclub der Ungarischen Armee, der es seinen Spielern ermöglichte, sich vollständig auf ihr Training zu konzentrieren, was in den 50er Jahren nicht selbstverständlich war. In diesem Verein spielte Budai zusammen mit Ferenc Puskás, Sándor Kocsis, József Bozsik und Zoltán Czibor. Sie wurden zum Kern der „goldenen Elf“, die im englischen Sprachraum den Spitznamen „Mighty Magyars“ trägt.
Doch 1956 kam die Wende. Während in Ungarn der Volksaufstand brutal niedergeschlagen wurde, befand sich die Mannschaft von Honvéd in Spanien bei einem Auslandsspiel. Die meisten Fußballer nahmen das Angebot von Real Madrid an zu bleiben. Budai schlug dies aus und kehrte nach Budapest zurück. Seine Bedeutung für den ungarischen Fußball war so groß, daß heute das Stadion von Budapest nach ihm benannt ist. 1983 starb der berühmte Fußballer, dessen Medaillen am 22. November 2011 bei Rapp in Wil versteigert werden.

Die entscheidenden Momente des packenden Finales können Sie sich noch einmal hier anschauen.

Wissenswertes rund um die Auktion finden Sie hier.

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