Die Zürcher und ihr Geld 2: Die Zollstation von Turicum


mit freundlicher Genehmigung des MoneyMuseum

In unserer Serie „Die Zürcher und ihr Geld“ nehmen wir Sie mit in die Welt des vergangenen Zürich. Lesen Sie diesmal, wie sich am Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. zwei Männer an der Zollstation von Turicum unterhalten. Dazu gibt es wie auf einer guten DVD ein Making of, also welcher numismatisch-historische Hintergrund zu diesem Gespräch gehört.

Ende 2. Jahrhundert n. Chr. Marcus, ein römischer Händler, verzollt seine Ladung an der Zollstation von Turicum und kommt mit Unio, dem römischen Zollbeamten, ins Gespräch. Gezeichnet von Dani Pelagatti / Atelier bunterhund. Copyright MoneyMuseum / Zürich.

Marcus: Hallo Unio, wie geht’s Dir?

Unio: Hallo Marcus, schön, Dich wieder einmal zu sehen. Reist Du nach Norden?

Nein, diesmal geht’s nicht nach Colonia Agrippina. Ich bringe meine Waren nach Lugdunum.

Der Zoll ist trotzdem fällig. Sowohl Colonia als auch Lugdunum liegen im gallischen Zollbezirk.

Ich weiß, ich weiß, (lacht) ihr römischen Beamten, immer wollt ihr nur unser Bestes, unser Geld.

Na hör mal, die kaiserliche Verwaltung leistet dafür aber auch einiges. Oder bist du etwa nicht auf intakten Straßen gereist?

Ja, aber …

Haben dich Räuber oder Barbaren überfallen?

Ja, aber …

Siehst du, du könntest gar keinen Handel treiben, wenn der Kaiser nicht überall für die Sicherheit auf den Straßen sorgen würde.

Ja, du hast schon recht, aber der größte Teil von unserm Geld geht doch in Rom drauf. Ich darf hier schuften, damit irgend so ein Plebejer vom Staat sein Brot und seine Spiele bekommt. Das ganze Steuersystem ist so ausgelegt, dass Rom sich mästen kann.

Das mag ja früher so gewesen sein, aber heute tut der Kaiser doch eine ganze Menge für die Provinzen. Denk doch nur an …

(unterbricht ihn) Ist ja schon gut, ich zahl ja die 2,5 % auf meine Waren.

Also, was hast du geladen?

Das übliche. 1.000 Modii Getreide, 100 Modii Oliven und dann Weihrauch. Jeweils 100 Pfund von der billigsten, der mittleren und der besten Sorte. Außerdem habe ich 150 Flacons Parfum aus Sardeis dabei.

Was, echtes lydisches Parfum? Das wird teuer.

Na, so teuer auch wieder nicht. Es sind ganz kleine Fläschchen.

Ach was, du willst nur handeln. Rechnen wir mal. 1.000 Modii Getreide Feinmehl, oder ist es mit dem Spelz gemahlen?

Feinmehl.

Also, das macht 48 As pro Modius Verkaufspreis, insgesamt 3.000 Denare. Dann 20 Amphoren Oliven. Normale Qualität?

Ja.

Also 125 Denare. 100 Pfund vom billigen Weihrauch macht 300 Denare, vom mittleren 500, und von teuersten 600 Denare.

Und für das Parfum darfst Du höchstens 2 Denare pro Fläschchen ansetzen.

Na, hör mal, ich habe daheim eine Frau, ich weiß, was sardisches Parfum kostet.

Es sind ganz kleine Fläschchen.

Zeig mal. (Pause). Das habe ich mir gedacht, die Gefäße sind ja fünfmal so groß wie normal. Da kommst Du unter 10 Denare pro Flacon nicht davon.

Blutsauger!

Also, 3.000 Denare für den Weizen, 125 Denare für die Oliven, 1.400 für den Weihrauch und 1.500 Denare für das Parfum. Macht insgesamt 6.025 Denare, ich bekomme also 150 Denare und 2 Sesterze Zoll von dir.

Replik des römischen Grabsteins an der Pfalzgasse in Zürich, gefunden am 15. Mai 1747 auf dem Lindenhof, mit der ältesten Erwähnung des lateinischen Stadtnamens Turicum in der Form des Adjektivs Turicen(sis). Das Original befindet sich im Schweizerischen Landesmuseum. CIL XIII, 5244. Quelle: Roland zh / Wikipedia.

Making of:
Am 18. Mai 1747 wurde in Zürich der Grabstein des Lucius Aelius Urbicus gefunden. Den Steinblock aufgestellt hatte sein Vater, ein kaiserlicher Freigelassener namens Unio Aelius Urbicus, der als Vorsteher einer Zollstation diente. Als solcher war er für die Erhebung der Quadragesima Galliarum zuständig, für die Einfuhrsteuer von 2,5 % Prozent. Sie wurde fällig, wenn Waren die Grenze zwischen dem illyrischen und dem gallischen Zollbereich überschritten. Zum illyrischen Bereich gehörte Noricum und Pannonien, der gallische Bereich umfasste die vier gallischen und die zwei germanischen Provinzen. Raetien war zwischen den beiden Bereichen geteilt. Der illegale Übertritt dieser Grenze war verboten. Militärposten mit Polizeifunktion kontrollierten die Straßen nach Händlern, die auf Schleichwegen versuchten, die Zollstationen zu umgehen. Offizielle Zollstellen befanden sich in Acaunum / St. Maurice VS, Genava / Genf und eben in Zürich, damals Turicum.

Turicum war gegen Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr., zur Zeit als die Grabinschrift entstand, nicht mehr als eine bescheidene Garnison, um die sich einige Händler, Handwerker und vor allem Dienstleister im Transportgewerbe angesiedelt hatten, da in Turicum die Waren, die über den Walen- und Zürichsee gebracht worden waren, für den Landweg umgeladen werden mussten. Dies war auch der Grund, warum die römische Verwaltung ausgerechnet in Turicum eine Zollstation unterhielt. Der Warenumschlag war leichter an den Orten zu kontrollieren, welche die Händler nur mit großem Zeit- und Geldaufwand vermeiden konnten.

Gehandelt wurde mit allem, was Gewinn versprach. Dabei bevorzugten erfahrene Händler eine gemischte Ladung, um durch die breite Streuung des Angebots das Risiko eines Verlusts möglichst gering zu halten. Transportiert wurden auch Massengüter wie Getreide, Basis der römischen Ernährung. Nicht alle Städte erzeugten genug Korn, um ihre Bürger zu ernähren, so dass der Getreidehandel eine relativ sichere Gewinnmöglichkeit bot. Weihrauch war ebenfalls ein überall begehrtes Handelsgut, da ihn jeder für das tägliche Rauchopfer an die Götter benötigte.

Septimius Severus, 193-211. Denar, östliche Münzstätte („Laodikeia“), 198. BMC 281, 629. RIC 159, 497a. C. 642. Aus Münzen & Medaillen Auktion 30 (2009) 1315.

Auch wenn unser Zöllner im Dialog noch die Sicherheit der römischen Straßen in den weit entfernten Provinzen lobt, die „goldene Zeit“ des 2. Jahrhunderts n. Chr. näherte sich ihrem Ende. Die ersten Ausläufer der Völkerwanderung trafen die Grenzen des römischen Reichs. Bereits der Bürgerkrieg des Jahres 197 zog die westlichen Provinzen in Mitleidenschaft – die Entscheidungsschlacht zwischen Septimius Severus und Clodius Albinus fand am Zielort unseres fiktiven Händlers statt, bei Lugdunum, dem damaligen Lyon. Um 213 n. Chr. gab es erste Zusammenstöße mit den Alamannen, die natürlich den Fernhandel in Mitleidenschaft zogen. So sorglos wie unser fiktiver Kaufmann sich durch das römische Reich bewegen konnte, sollten seine Nachfahren erst nach knapp eineinhalb Jahrtausenden wieder reisen.

Beim nächsten Mal lauschen wir auf dem Zürcher Markt des 13. Jahrhunderts, welche Probleme das Geldwechseln damals so bereitete.

Alle anderen Folgen der Serie finden Sie hier.

Die Texte und Zeichnungen entstammen der Broschüre zur gleichnamigen Ausstellung im MoneyMuseum Zürich. Vertonte Auszüge sind als Video hier erhältlich.