Die Krönungsinsignien des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation

Seit 1424 fand jährlich in Nürnberg die sogenannte Heiltumsweisung statt. Zu diesem Anlaß wurden die Reichskleinodien aus der Schatzkammer geholt und einer riesigen Menschenmenge, die nur deswegen nach Nürnberg gekommen war, gezeigt. Es handelte sich bei der Heiltumsweisung um ein kirchliches Fest, denn die gezeigten Gegenstände wurden – zum Teil fälschlich – mit dem 1165 heilig gesprochenen Karl dem Großen in Verbindung gebracht. Sie galten deshalb nicht nur als Symbole des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, sondern auch als Heil bringende Reliquien. Wir finden die wichtigsten Bestandteile dieses Schatzes auf einer Medaille o. J. (um 1700) von M. Brunner dargestellt.

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Abb. 1: NÜRNBERG. Goldmedaille zu 6 Dukaten. Brustbild Kaiser Sigismunds im Krönungsornat des römischen Königs deutscher Nation. Rv. Reichskleinodien. 20,76 g. Slg. Erlanger 1064. Aus Auktion Hess-Divo AG 301 (2005), 242.

Auf der Vorderseite ist Kaiser Sigismund (*1368, dt. König 1410, Kaiser 1433, +1437) abgebildet. Er war es, der 1424 den Befehl gab, die Reichskleinodien in Nürnberg aufzubewahren. Dieser für die Nürnberger so wichtige Kaiser ist auf unserer Medaille in den traditionellen Krönungsornat der Könige des heiligen römischen Reichs deutscher Nation gekleidet. Diejenigen, die zur Heiltumsweisung nach Nürnberg gekommen waren, konnten viele dieser Kleidungsstücke im Original bewundern. Wir brauchen sie deshalb nicht zu beneiden, denn uns ist heute noch der direkte Vergleich möglich. Die meisten Bestandteile des Krönungsornats und der Reichsreliquien sind erhalten und können in der weltlichen Schatzkammer der Wiener Hofburg besichtigt werden.

Abb. 2: Krone des heiligen römischen Reichs deutscher Nation.

Prunkstück der Ausstellung und Blickpunkt dieser Medaille ist natürlich die Krone, die Sigismund trägt. Sie wurde vermutlich anläßlich der Kaiserkrönung Ottos des Großen im Jahr 962 hergestellt. Jedes Detail dieser merkwürdigen Kopfbedeckung hat symbolischen Charakter. So bezieht sich z. B. ihre achteckige Form auf die Acht als Zahl der Vollkommenheit, die man als kaiserliche Zahl für den Herrscher in Anspruch nahm. Das Gold mit seinem Schmuck aus Edelsteinen und Perlen, der auf unserer Medaille angedeutet ist, weist hin auf die Vorstellung vom Himmlischen Jerusalem, das man sich im Mittelalter als ganz aus Gold gebaut und mit Juwelen und Perlen geschmückt vorstellte. Der deutlich erkennbare Bügel der Krone ist später entstanden als der Reif. Er wurde unter Konrad II. (1024-1039) ergänzt, ebenso wie das kleine Kreuz über der Stirn, das aus der Zeit Heinrichs II. (1002-1024) stammt.
In der Hand hält Sigismund den Reichsapfel. Davon gab es in Nürnberg einst gleich drei Stück, zwei davon gingen bei der Bergung der Schätze vor den anrückenden Truppen Napoleons verloren. Nur einer der drei Reichsäpfel blieb erhalten. Er wurde wohl in Köln um 1200 hergestellt und steht als Abbild des Kosmos für die Idee der Weltherrschaft.

Abb. 3: MAXIMINUS II. DAIA, 310-313. Aureus, Antiochia, 311. Rv. Der Kaiser im Konsularmantel mit kurzem Szepter n. l. stehend, auf der ausgestreckten Hand Weltkugel. 5,31 g. RIC 127avar. Aus Auktion Leu Numismatik 87 (2003), 111.

Abb. 4: CONSTANTINUS II., 337-340. Follis, Trier, 321. Bel. Büste mit Globus n. l., auf dem Globus Victoria, den Kaiser bekränzend. Rv. Altar mit der Inschrift VOTIS XX, darauf Globus. RIC – (cf. 312). 2,64 g. Aus Auktion Numismatik Lanz 100 (2000), 560.

Die Idee, die Herrschaft über die ganze bekannte Welt bildlich auszudrücken, indem man dem Kaiser ein goldenes Abbild des Kosmos in die Hand gab, stammt aus der Antike. Besonders in der späten Kaiserzeit begegnen uns auf römischen Münzen immer wieder Darstellungen von Globen: Der Kaiser hält sie in der Hand, empfängt sie von seinem Schutzgott, oder sie liegen auf Altären, welche auf die Gelübde hinweisen, die der Kaiser zum Erhalt seiner Herrschaft für die nächsten fünf Jahre ablegte.
Es könnte sein, daß die Darstellung unserer Medaille auf den erhaltenen Reichsapfel Bezug nimmt. Allerdings weichen Abbildung und Original in einem entscheidenden Detail voneinander ab: Die Querbänder des realen Stückes führen um die ganze Kugel herum, während sie auf der Medaille nur die obere Hälfte bedecken. Allerdings sind diese Querbänder auf dem erhaltenen Exemplar nur zur Hälfte mit Edelsteinen besetzt, die untere ziselierte Hälfte fällt kaum ins Auge, was der Stempelschneider der Medaille vielleicht durch ein Weglassen des unteren Teils wiedergab.
Sieht man sich übrigens die Hände unseres Kaisers Sigismund auf der Medaille genauer an, so fällt auf, daß seine Finger verziert sind. Auch hierfür gibt es einen Grund im Zeremoniell. Der König bekleidete seine Hände mit Handschuhen, um nicht in direkten körperlichen Kontakt mit dem Heiligen, den Reichskleinodien zu kommen. Es war ein Zeichen der Ehrfurcht vor dem Göttlichen, das im Übrigen heute noch im katholischen Gottesdienst zu beobachten ist: Wenn der Priester die Monstranz erhebt, so verhüllt er seine Hände sorgfältig mit einem Tuch. Für die Krönung gab es übrigens ganz besondere Handschuhe. Sie bestanden aus rotem Purpurstoff und waren reichlich mit Edelsteinen und Perlen bestickt. Wahrscheinlich hatten sizilianische Handwerker sie um 1220 anläßlich der Krönung Friedrichs II. angefertigt.
Ebenfalls aus Sizilien stammte der Krönungsmantel, den Sigismund auf dieser Medaille trägt. Deutlich erkennbar ist er allerdings nur anhand der charakteristischen Borte, bei der abwechselnd eine Raute und ein Vierpaß dargestellt sind. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Stola, die der Kaiser sich quer überkreuzt über die Brust geschlagen hat. Sie ist zu lang, um wie eine priesterliche Stola getragen zu werden, also lediglich um den Hals gelegt, die beiden Enden offen nach unten hängend. Sie wurde wohl eher in Anlehnung an den Loros, den zur Zeit ihrer Herstellung die byzantinischen Kaiser immer noch trugen, gefertigt. Deutlich sind die auch in der Realität vorhandenen Medaillons zu erkennen, bei denen sich Kreuze mit Adlerdarstellungen abwechseln.

Abb. 5: Kaiser Sigismund im vollen Krönungsornat.

In der linken Hand hält Sigismund ein Szepter, einen einfachen Goldstab mit Blattornamenten am Abschluß. Dieses Stück kennen wir aus Darstellungen. Das Original ist wohl bei der Überführung der Reichskleinodien verloren gegangen.

Abb. 6: Santa Maria Maggiore.

Abb. 7: Reliquienschrein der Kirche St. Maria Maggiore mit den Reliquien der Krippe Christi.

Während auf der Vorderseite all die Stücke zusammenfassend dargestellt sind, die eine Rolle im Krönungszeremoniell spielten, sehen wir auf der Rückseite die Reliquien, die als die ehrwürdigsten im ganzen Reich galten. Ganz links abgebildet ist das Reliquiar, das einen Span des Holzes enthielt, aus dem die Krippe Jesu angefertigt worden sein soll. Diese einstige Kostbarkeit wurde im Jahr 1368 Kaiser Karl IV. von Papst Urban V. geschenkt. Auf päpstlichen Geheiß wurde der Span von der in der römischen Basilika Santa Maria Maggiore verehrten Krippe abgeschnitten (Abb. 6 und 7). Damals war dies ein Geschenk, das an Wert alles andere übertraf, was ein Fürst einem anderen geben konnte. Die ganze christliche Welt sehnte sich danach, nach Rom zu ziehen, um unter anderem vor der Krippe Christi zu beten. Heute hat diese Reliquie derart an Wert verloren, daß selbst gute Reiseführer zu den Kunstschätzen der Ewigen Stadt nicht einmal mehr auf ihre Existenz hinweisen.

Abb. 8: Heilige Lanze.

Wesentlich bekannter als die Reliquie von der Krippe Christi ist die sogenannte Heilige Lanze. In ihr soll ein Nagel eingearbeitet sein, der bei der Kreuzigung Christi Verwendung fand. Verschiedene Überlieferungen brachten diese Lanze in Verbindung mit Kaiser Konstantin und dem hl. Mauritius, dessen Kult unter Kaiser Otto dem Großen einen Aufschwung erlebte. Im Verlauf des 13. Jahrhunderts deutete man die Lanze schließlich als die Waffe des Longinus, mit der er Christus die Seitenwunde zugefügt haben soll. Tatsächlich stammt das Stück wohl aus dem 8. Jahrhundert, aus der Zeit der Karolinger. Die hl. Lanze war das wichtigste aller Heiltümer des Reiches. Dem trägt unsere Medaille Rechnung. Die Lanze ist in der Mitte der drei Reliquien dargestellt, auf dem Platz, den das Protokoll für den Ranghöchsten reserviert. Diese Reliquie wurde noch zu Beginn der Neuzeit so tief verehrt, daß Kaiser Karl IV. beim Papst durchsetzen konnte, daß ein eigener Feiertag zu Ehren von Lanze und Nagel in den Kirchenkalender eingeführt wurde.
Rechts von der hl. Lanze ist ein einfaches Kreuz abgebildet, das in mittelalterlichen Augen ebenfalls einen Schatz darstellte. Hier war ein Teil des heiligen Kreuzes eingefügt. Christlicher Überlieferung nach war diese Urreliquie von Helena, der Mutter Constantins, im Heiligen Land aufgefunden worden. Sie hatte der Legende nach – als eine Art Vorläuferin moderner Archäologen – auf dem Berg Golgatha eine Grabung durchführen lassen, bei der drei Kreuze geborgen wurden. Eines davon mußte das Kreuz sein, das Christi mit seinem Blut benetzt hatte. Helena machte die Probe aufs Exempel: Sie ließ sich drei Leichen kommen, legte je eine auf jedes der drei Kreuze, und das Kreuz, das den Toten wieder lebendig machte, mußte selbstverständlich das Kreuz des Erlösers sein. Sie brachte diesen Schatz nach Konstantinopel, wo fortan der byzantinische Kaiser an Vertragspartner kleine Stücke davon abgab. So könnte Kaiser Romanos III. unsere Reliquie im Jahr 1029 an Konrad II. übergeben haben. Damit hatte sich der byzantinische Kaiser ein überraschend großes Stück vom Herzen gerissen, das noch zusätzlich Bedeutung gewann, weil es ein Loch aufwies, das vom einem der Nägel stammte, mit denen Christi ans Kreuz geschlagen wurde. Den Gläubigen war dies wichtig, worauf der Künstler selbstverständlich Rücksicht nahm: Deutlich ist in seiner Darstellung das Loch im Kreuzesholz zu sehen.

Abb. 9: RDR. Josef I., 1705-1711. Großes Stammbaummedaillon 1690 von M. Brunner. Gekröntes Brustbild Josefs in einem von Spruchband umwundenen Olivenkranz. Rv. Stammbaum mit 15 Medaillonbildern der Habsburger Kaiser. 124,00 g. Slg. Julius 524. Aus Auktion Hess-Divo AG 300 (2004), 1011.

Doch warum ist der deutsche König oder Kaiser nicht auf allen Münzen mit der Krone des heiligen römischen Reiches deutscher Nation zu sehen? Unsere Abb. 9 zum Beispiel zeigt eine ganze Reihe von Herrschern aus dem Hause Habsburg, von denen nur einer, nämlich Rudolf I. auf dem Medaillon in der Mitte unten die Reichskrone trägt. Die Lösung ist ganz einfach. Die Reichskrone wurde in Nürnberg verwahrt und nur für die Krönungszeremonie verwendet. Im Alltag aber brauchte ein König bzw. ein Kaiser eine Krone. So ließ sich jeder Herrscher eine eigene Krone im Zeitgeschmack anfertigen. Nur eine einzige davon hat überlebt – sie ähnelt derjenigen, die Josef I. auf unserer Medaille trägt.

Abb. 10: Krone Kaiser Rudolfs II.

Kaiser Rudolf II. ließ sie anfertigen, damals war sie ein Repräsentationsgegenstand ohne staatsrechtliche Funktion. Diese erhielt sie erst im Jahr 1804, als Franz I. sie zur Krone des Kaiserreichs Österreich bestimmte. Eine Krönung hat es mit dieser Krone jedoch nie gegeben.
Alle hier erwähnten Gegenstände kann man im Original in der Weltlichen Schatzkammer der Wiener Hofburg besichtigen. Ein Spaziergang durch diese Ausstellung ist für jeden, der an Münzen interessiert ist, hoch interessant. Er wird viele Gegenstände, die er von Münzabbildungen her kennt, plötzlich im Original entdecken.

Weltliche und Geistliche Schatzkammer
1. Bezirk, Wien, Hofburg, Schweizerhof.
Tel: +43 1 525 240; www.khm.at; info.kk@khm.at
Öffnungszeiten: Mi-Mo 10-18.00; 8 Euro Eintritt.
Audioguide (empfehlenswert): 2 Euro
http://www.khm.at/schatzkammer/