Nachahmung, Aneignung, Neuschöpfung: Die Paduaner

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von Ursula Kampmann

10. Januar 2019 – Es gibt wenige Bücher, die ich bereits benutze, obwohl sie noch auf dem Regal mit Publikationen für die Buchvorstellungen liegen. „All’antica – Die Paduaner und die Faszination der Antike“ des Historischen Museums Basel gehört dazu. Es handelt sich um einen umfangreichen Katalog mit einer ausführlichen Einführung in ein Gebiet, das viel zu lange von der Numismatik vernachlässigt wurde, die Paduaner – wunderbare Neuschöpfungen der frühen Neuzeit nach antiken Vorbildern, die viel zu lange nicht als Renaissancemedaillen, sondern als Fälschungen verkauft wurden.

Michael Matzke (Hg.), All’antica. Die Paduaner und die Faszination der Antike. Schriftenreihe der Numismatischen Gesellschaft Speyer 55. Battenberg Gietl Verlag, Regenstauf 2018. 376 S., durchgehend farbige Abbildungen. Hardcover. 20 x 24,6 cm. ISBN: 978-3-86646-166-6. 39,90 Euro.

Michael Matzke, Kurator der einzigartigen Münzsammlung, die im Historischen Museum Basel liegt, ist verantwortlich für die Idee zum Buch. Er hatte 2015 eine spannende Ausstellung eröffnet, die den Titel trug „Gefälschte Antike? Die Paduaner und die Faszination der Antike“. Dabei stieß er auf Kopien, die besser waren im Stempelschnitt und in der technischen Ausführung als die römischen Originale. Er merkte, wie die Motive wanderten und sich gegenseitig beeinflussten. Und er realisierte, dass die Paduaner des Giovanni da Cavino ihrerseits nachgeahmt wurden, dass es also unterschiedliche Zentren und Meister der „Paduanerproduktion“ gab.

Das wird ihn dazu inspiriert haben, die im Historischen Museum Basel liegende Sammlung von so genannten „Paduanern“ neu zu katalogisieren. Ein dringendes Unterfangen. Nicht nur weil die Wissenschaft so einen Katalog dringend benötigt, um zu untersuchen, ob die in den frühen numismatischen Katalogen publizierten Münzen, die kein römisches Äquivalent haben, eine Erfindung des Autors waren oder real in der Sammlung lagen. Immer wieder finden Paduaner und ihre Nachahmungen den Weg aus alten Sammlungen in den Handel und werden dann meist in einem Lot am Ende des Katalogs gepackt und als Nachahmung verkauft. Dieses Schicksal verdienen die Stücke nicht! Denn die Kunstfertigkeit, mit der diese frühneuzeitlichen Medaillen nach römischem Vorbild hergestellt wurden, ist beeindruckend.

Zusammen mit einigen Kollegen unternimmt Michael Matzke die Ehrenrettung dieser Medaillen. Die Einleitung von Lucas Burkart spannt den geistesgeschichtlichen Rahmen, auf dem diese Kunstwerke entstehen konnten. „Die Renaissance als Kultur der Nachahmung, Aneignung und Neuschöpfung“ – schon in dem Titel ist die Botschaft enthalten.
Jürgen Kraut hat sich das technische Knowhow angesehen, mit dem die Stücke geschaffen wurden. Ein absolutes „Must“ für jeden, der sich für Prägetechnik interessiert.
Und Michael Schaffner schrieb eine neue Würdigung von Ludovic Demoulin de Rochefort, Leibarzt der savoyischen Herzöge, der 1576 seine Medaillen an Basilius Amerbach verkaufte. So kam ein großer Teil der Stücke in die Sammlung.
Eine Einführung zu den Paduanern liefert Michael Matzke selbst.

Es folgt der Katalog, also der Teil, der wohl die meisten Nutzer finden wird. Er ist gegliedert nach Stempelschneidern und Motiven:

  • Giovanni da Cavino (1500-1570) und seine Werkstatt
  • Medaillen auf Caesar und die römischen Kaiser von unbekannten Künstlern
  • Valerio Belli (um 1468-1546)
  • Werkstatt und Nachfolger des Valerio Belli
  • Giovanni Boldù (+vor 1477) und sein Umkreis
  • Gian Giacomo Bonzagni, genannt Parmigiano (um 1507-1565)
  • Alessandro Cesati (tätig 1538-1561)
  • Vittore Gambello (um 1450/55-1537)
  • All’antica-Medaillen verschiedener Künstler
  • Varia

Schon die Namen sagen genug: Wer Parmigiano hört, wird bis heute sicher nicht an Paduaner gedacht haben…

Der Katalog ist schlüssig aufgebaut. Farbabbildung im Maßstab 1:1, Beschreibung des in Basel liegenden Exemplars sowie Provenienz, Kommentar. Wohl gemerkt, es handelt sich nicht um einen Gesamtkatalog aller Medaillen all’antica, sondern um die Stücke, die heute im Historischen Museum Basel liegen. Aber dank der Sammlungsgeschichte des Hauses dürfte seine Sammlung dieses Genres zu der weltweit größten gehören – und sicher die am besten aufgearbeitete sein.

Der Katalog ist also ein absolutes Muss für all diejenigen, die sich für die Renaissance begeistern. Und natürlich sollten ihn auch diejenigen kaufen, die sicher gehen wollen, dass sie keinen Paduaner statt eines römischen Sesterzen erwerben. Wobei: Wenn man sieht, mit welcher unglaublichen Kunstfertigkeit diese Medaillen geschaffen wurden, könnte man bereit sein, wesentlich mehr Geld für einen Paduaner auszugeben als bisher. Immerhin gehören Renaissancemedaillen heute zu den teuersten numismatischen Produkten auf dem Markt. Wer weiß, vielleicht sind schöne Paduaner schon bald teurer als ihre römischen Vorbilder.

Kaufen können Sie das Buch beim Gietl-Verlag.

Eine Einführung zur Ausstellung „Gefälschte Antike? Die Paduaner und die Faszination der Antike“ finden Sie natürlich in der MünzenWoche.

In einem wunderbaren Artikel der Woche mit dem Titel „Herkules im Hinterhof“ hat uns Michael Matzke gezeigt, wie die Motive auf den sogenannten Paduanern zustande kommen konnten, und wer für sie verantwortlich war.

Wenn Sei mehr wissen wollen über die Dauerausstellung von Münzen des Historischen Museums Basel, dann lesen Sie den Artikel dazu.

Und selbstverständlich lesen Sie in der MünzenWoche auch einen ausführlichen Bericht über wichtige Bestände im Museum, die Hinterlassenschaft des Erasmus von Rotterdam und die Sammlung des Basilius Amerbach.

Einen Blick in die Dauerausstellung können Sie hier tun.