Willkommen im Iran! Teil 13: Im Reich Zarathustras

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von Ursula Kampmann

16. Februar 2017 – Spätestens seit Nietzsche, Richard Strauss und Stanley Kubrick gehört der persische Religionsgründer Zarathustra zum deutschen Allgemeinwissen. Wobei sich das Wissen meist auf die Kenntnis des Namen beschränkt. Dass der Zoroastrismus heute noch eine Religion ist, die etwa 150.000 Anhänger hat und vor allem in Indien, den USA und natürlich dem Iran verbreitet ist, ist nur wenigen bewusst. Wir besuchen in dieser Folge des numismatischen Tagebuchs das größte Zentrum des Zoroastrismus, die Stadt Yazd. 

Ein Turm des Schweigens. Foto: KW.

Donnerstag, 17. März 2016

Ca. um 17.00 kamen wir in Yazd an und fuhren gleich zu den Türmen des Schweigens, wo die Zoroastrier einst ihre Toten bestatteten, indem sie deren Körper den Vögeln zum Fraß anvertrauten. So wurde der Boden und das Feuer nicht mit einer Leiche verunreinigt. Es war später Nachmittag und das Licht wunderschön. Die verfallenen Lehmgebäude, in denen die Anhänger des Zarathustra ihre Toten vorbereitet hatten, ehe man sie auf den Türmen des Schweigens aussetzte, strahlten warm im letzten Licht des Tages. Irgendwie erschien einem vor Ort die „Himmelsbestattung“ unglaublich romantisch und richtig. 

Gebäude zu Füssen der Türme des Schweigens, hier wurden die Leichen vorbereitet, sprich zerkleinert. Foto: KW.

Heute ist diese Form der Bestattung natürlich verboten. Und ich kann es nachvollziehen. Ich vermag mir durchaus vorzustellen, wie ich reagieren würde, wenn ich in meinem Vorgarten über einen menschlichen Arm stolpern würde, den ein Geier fallen gelassen hat… Und die Stadt ist ganz nahe an die Türme des Schweigens herangewachsen.

Schon um 18.00 – sehr früh für unsere Verhältnisse – erreichten wir das Hotel. Es war ein todschicker, moderner Kasten. Dementsprechend fand man hier alles, was sich ein Tourist erträumen kann: Eine reichhaltig sortierte Boutique mit Tüchern jeden Materials und jeder Größe, ein blitzsauberes Badezimmer, einen Fernseher mit einem deutschen(!) Sender.
Aber der Iran wäre nicht der Iran, wenn man nicht beim Fenster vergessen hätte, den Fensterriegel einzubauen. Man konnte es also nicht schließen (bei der heutigen Tagestemperatur durchaus kein vernachlässigbares Problem). Doch wir fanden eine Lösung: Wir nahmen den massiven Kofferständer und stellten ihn quer vor das Fenster. Wollen wir hoffen, dass er schwer genug ist, damit der Wind das Fenster nicht mehr aufdrücken kann.

Freitag, 18. März 2016

Der Kofferständer war schwer genug. Wir hatten die ganze Nacht Ruhe vor dem Wind und erfuhren am nächsten Morgen, dass auch bei allen anderen die Riegel am Fenster gefehlt hatten. Die Kreativität, mit der die anderen Reisenden das Problem gelöst hatten, stand unserer um nichts nach. Deutschland ist wahrhaftig eine Nation der Ingenieure.

Feuertempel. Foto: KW.

Unser erstes Ziel heute war der Feuertempel im Zentrum von Yazd. Ich war total neugierig, schließlich ist der Zoroastrismus eine der ältesten Religionen, die es überhaupt noch gibt. Ich erwartete ein uraltes Gebäude mit der Patina von Jahrhunderten. Doch ich wurde enttäuscht. Der Tempel stammt aus dem 19. Jahrhundert. Er wurde den Gläubigen von ihren indischen Glaubensgenossen geschenkt und ist mehr auf kostengünstig als auf architektonisch beeindruckend ausgelegt.

Warteschlange im Feuertempel… Foto: KW.

Nichtsdestotrotz war der Andrang für iranische Verhältnisse enorm. Wir warteten eine knappe halbe Stunde hinter einer riesigen amerikanischen Reisegruppe. 

…für einen Blick ins Allerheiligste. Foto: KW.

Ich kann nicht wirklich behaupten, dass das Innere uns für die Warterei entschädigte. Wir sahen ein Bild von Zarathustra aus dem 19. Jahrhundert und eine große Glasscheibe, hinter der Feuer auf einem kleinen Altar brannte. Was ich bei den „Feueranbetern“ eigentlich hätte erwarten sollen.

Hormuzd II., 303-309. Drachme. Rv. Feueraltar mit Büste. Aus Auktion Künker 273 (2016), Nr. 427.

Das heilige Feuer gilt ihnen als Symbol der vollkommenen Reinheit, so dass es besser als Anbetungsobjekt dienen kann als alles andere. Und die Vorstellung, dass wir es verschmutzen, indem wir Leichen darin verbrennen, dürfte auf einen überzeugten Zoroastrier ziemlich abschreckend wirken. 

Auf der Rückseite Ahura Mazda, wie wir ihn von persischen Darstellungen kennen. Geprägt ist die Münze allerdings in Issos (Kilikien) unter dem persischen Satrapen Tiribazos. Aus Auktion CNG 97 (2014), 257.

Der Inhalt der Lehre des Zarathustra ist Thema von jedem guten Hollywood-Streifen. Es geht um den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, an dessen Ende das Gute siegt und die Guten belohnt werden: Ahura Mazda, der weise Herr, schuf die Welt und sandte sechs gute Geister aus, die Tugend, die Wahrhaftigkeit, die gute Gesinnung, die Weisheit, den Besitz und die Gesundheit. Sie waren eigentlich als Geschenke für alle, die gläubig Ahura Mazdas verehren, gedacht. Doch dann mischte sich der böse Ahriman ein, eine Mischung aus dem christlichen Teufel, Sauron und Darth Vader. Er sendete seine sechs bösen Geister aus, um die Menschen zum Bösen zu verleiten. Der Mensch muss sich nun bei jeder einzelnen seiner Handlungen zwischen Ahura Mazda und Ahriman entscheiden. Die ganze Menschheit ist das Material, aus dem Ahriman und Ahura Mazda ihre Armee für diesen Kampf rekrutieren.
Aber keine Angst, es gibt ein Happy End: Nach vier mal 3.000 Jahren findet das Weltgericht statt. Dann werden die Guten belohnt und die Bösen bestraft.

Ein Blick in die liebevoll gestaltete Ausstellung. Foto: KW.

Das Ganze konnte man mit wesentlich mehr Details – und natürlich in ein wenig weihevolleren Worten – im angeschlossenen Museum lesen. Dort waren große Texttafeln in Farsi und Englisch aufgestellt. Bitte, nur damit niemand einen falschen Eindruck bekommt: Wir Ausländer waren in der Minderheit! Es waren unzählige Iraner gekommen, um mehr über die älteste Religion des Iran zu erfahren. Und sie lasen die Schrifttafeln von Anfang bis Ende!
Übrigens, irgendwie muss es eine Verbindung zwischen Zoroastriern und schwäbischen Hausfrauen gegeben. Reinheit ist geradezu ein religiöser Lebenszweck. Was sich vor Ort in den saubersten Toiletten des gesamten Iran ausdrückte – und damit will ich sicher nicht sagen, dass die anderen durchwegs schmutzig gewesen seien.

Eingang zur Moschee. Foto: KW.

Der Bus brachte uns die kurze Strecke vom Feuerheiligtum zur Freitagsmoschee mit ihrem großartigen Eingang aus farbigem Fliesenmosaik. Ich hätte stundenlang vor dem Eingang sitzen können, um mich in die Details zu vertiefen. 

Deutsch-iranische Völkerverständigung. Foto: KW.

Im Inneren sprachen mich ein paar aufgeweckte Mädels in ihrem schwarzen Hijab an. Völkerverständigung geht im Iran unter Frauen eben auf die einfache, direkte Art und Weise. Manchmal denke ich, man sollte die ganzen Diplomaten und Politiker in die Pampa schicken und ein paar Mütter die Probleme bereden lassen… 

Die Altstadt ist nicht für Autoverkehr gemacht, was natürlich keinen Autofahrer abhält, mit seinem Wagen noch die letzte Gasse zu passieren. Foto: KW.

Es folgte ein Rundgang durch die Altstadt, der unserem local Guide und unserer Frau Hodel die höchsten Hütekünste abforderte. Ihre kleine Herde von Touristenschäfchen verteilte sich in Windeseile in alle Richtungen. Die einen wollten unbedingt ein Foto aus einem ganz bestimmten Blickwinkel machen (natürlich völlig unumgänglich wegen des Lichteinfalls!), die anderen wollten schnell mal in einen Laden huschen (wir hatten unser Quantum an Souvenirs noch nicht erreicht) und die dritten wurden von irgendwelchen Iranern geschnappt, die unbedingt ein Bild machen wollten – mit und ohne Baby auf dem Arm.

Eingerüstete Kuppel des Mausoleums. Foto: KW.

Wir passierten ein schönes Mausoleum – mit Frauentag am Mittwoch. An diesem Tag darf kein Mann den Bau betreten. Wir betraten ihn auch nicht, allerdings nur weil er in restauro und geschlossen war.

Ein Nakhil, ungeschmückt auf einem Platz in der Stadtmitte. Foto: KW.

Auf unserem Spaziergang kamen wir immer wieder an sehr merkwürdigen Objekten vorbei, von denen wir uns nicht vorstellen konnte, was man damit machen könnte. Ein Archäologe würde in so einem Fall von „religiös“ oder „Kinderspielzeug“ faseln. Und hätte damit tatsächlich zu 50 % recht. Es handelte sich nämlich nicht um die iranische Variante eines Klettergerüsts, sondern um einen Nakhil.

Ein ähnlicher Nakhil in Aktion, aufgenommen am 4. November 2014. Foto: Amir Mohammad Zare Zadeh / CC-BY 4.0 Int.

Der Nakhil gehört zum wichtigsten Fest der Schiiten. Er ist Teil der Prozession, die anlässlich der Niederlage und des Todes von Hussain in der Schlacht von Kerbela abgehalten wird. Er wird genauso verziert und feierlich herumgeschleppt wie unsere Kreuzwegstationen in Spanien und Sizilien.

Träger einer christlichen Kreuzwegstation anlässlich der Prozession in Trapani. Foto: KW.

Mir kam die Idee, bei dieser Sitte könnte man sich doch gegenseitig beeinflusst haben. Aber Pustekuchen! In Spanien und Sizilien herrschten sunnitische Moslems und die kennen keine Trauerprozession für Hussein. Da haben also Frömmler von beiden Religionen unabhängig voneinander ein ganz ähnliches (schmerzhaftes) Ritual entwickelt. Was wiederum zu Nietzsche und seinem Zarathustra zurückführt, in dem er davon spricht, dass die Christen erlöster aussehen müssten, um ihn an Gott glauben zu lassen.

Wie auch immer, irgendwann schafften es Ehsan und Frau Hodel, uns wieder in unseren Bus zu treiben. Und das ohne einen von uns verloren zu haben! Stolze Leistung!

Die alte Moschee von Nain. Foto: KW.

Mittagspause machten wir in Nain, das sich hauptsächlich durch eine sehr alte Moschee auszeichnet. Na ja, ich warf einen Blick hinein, stellte fest, dass sie architektonisch wahnsinnig interessant war – immerhin noch vom arabischen Typ(!) – und dass ich eigentlich auf dieser Reise schon eine ganze Menge Moscheen gesehen habe. Und dann setzte ich mich auf dem Vorplatz in die Sonne und wartete, bis die anderen genug architektonische Details verinnerlicht hatten.

Leben wie im Paradies. Gemälde im Volkskundemuseum von Nain. Foto: KW.

Aber das gegenüberliegende kleine Volkskundemuseum war eine Bombe! Es war im Haus eines reichen Mannes untergebracht, so dass wir einmal zu sehen bekamen, mit welchem unglaublichen Prunk die reichen Privatleute des 17./18. Jahrhunderts gelebt haben. 

Ein Blick in das kleine Museum. Foto: KW.

In den unteren Räumen war davon noch nichts zu sehen. Dort fanden sich einige mehr oder minder austauschbare ethnologische Objekte, darunter auch ein paar Münzen, die so mies erhalten waren, dass ich mich schlichtweg weigerte, sie zu fotografieren. Aber der Empfangsaal im ersten Stock war mit prächtigsten Malereien ausgestattet. Und wenn ich nicht schon so viel in dieser Folge geschrieben hätte, würde ich noch mehr abbilden.

Von Nain aus gab’s dann die letzte lange Überlandfahrt mit dem Bus nach Isfahan. Und ich gebe zu, ich werde diese Busfahrten nicht vermissen. Natürlich, das Panorama, an dem wir vorbeikamen, war meist phantastisch. Aber die klimatischen Bedingungen! Man konnte im Bus wählen zwischen „Sauna“ und „Antarktis“. Leider nicht für alle, denn es gab verschiedene Mikroklimata: Wenn es hinten angenehm gekühlt war, herrschte vorne die Antarktis. Wenn dagegen die Klimaanlage so eingestellt war, dass die Mitfahrer auf den vorderen Bänken ihre Handschuhe und Schals wieder wegpackten, lief den Reisenden auf den hinteren Bänken der Schweiß herab, wie es nur in den besten Saunen geschieht. Was gelegentlich leichte Verstimmungen innerhalb der Gruppe mit sich brachte. Wäre die Gruppe nicht derart großartig gewesen, hätte aus diesen leichten Verstimmungen leicht ein großer Streit entstehen können…

Eine der vielen wunderschönen Brücken von Isfahan. Foto: KW.

Wir kamen ohne den angekündigten großen Stau nach Isfahan und hatten sogar noch Zeit, die zwei wichtigsten Brücken der Stadt zu besichtigen. Die älteste, deren Grundmauern aus sasanidischer Zeit stammen sollen, und eine aus der Zeit der Safawiden, die mit kleinen Pavillons wunderhübsch geschmückt ist. Beide standen – oh Wunder des persischen Neujahrsfestes! – im Wasser. Was in unseren Ohren nicht wirklich überraschend klingt, ist für die Einwohner von Isfahan ein ständiges Ärgernis. Ihr Fluss, ihre Lebensader hat nämlich kein Wasser mehr, seit die Regierung das Wasser in einem Stausee zurückhält, um Teheran mit ausreichend Trinkwasser zu beliefern.

Wie sich Isfahan zum iranischen Neujahrsfest, dem Newroz herausgeputzt hat, das erzähle ich Ihnen in der nächsten und letzten Folge des iranischen Tagebuchs.

Alle Teile des Iranischen Tagebuchs finden Sie hier.