Warum Deutschland fünf staatliche Münzstätten hat

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2. Februar 2017 – Deutschland hat fast 82 Millionen Einwohner. Das ist viel, verglichen mit Frankreich (66,03 Mio.) oder Großbritannien (64,1 Mio.). Dennoch rechtfertigt diese Bevölkerungszahl wohl kaum eine Überversorgung mit fünf nationalen Münzstätten. Warum Deutschland trotzdem fünf staatliche Münzstätten hat und dies voraussichtlich noch eine Weile so bleiben wird, fasst dieser Artikel zusammen.

Die Proklamation Wilhelm I. zum deutschen Kaiser 1871. Gemälde von Anton von Werner, 1885.

Als Wilhelm I. am 18. Januar 1871 zum deutschen Kaiser gekrönt wurde, war dies eine Entwicklung, die von den Herrschern des restlichen Deutschlands mit großem Unbehagen wahrgenommen wurde. Traditionell besaßen die Fürsten im Römischen Reich Deutscher Nation in ihrem Herrschaftsgebiet die Hoheitsrechte wie Rechtsprechung, Steuererhebung und selbstverständlich auch Münzprägung. Die Teilstaaten waren trotz Kaiserkrönung und deutschem Reich nicht bereit, all ihre Rechte an eine Zentralregierung abzutreten. So war die neu entstandene Nation ein Flickenteppich von vielen kleineren Natiönchen, von denen jede einzelne ihre Privilegien eifersüchtig hütete.

Die Münzstätte in Karlsruhe ist noch heute im selben Gebäude ansässig, das auf Anordnung von Karl I., Großherzog von Baden, 1816 erbaut wurde. Foto: Günter Josef Radig / CC BY-SA 3.0 de

Die Münzstätten im kaiserzeitlichen Deutschland

Dazu gehörte auch das Privileg einer eigenen Münzprägung. Sowohl das Reichsmünzgesetz von 1871 als auch das von 1873 legte fest, dass nicht eine gemeinsame, nationale Münzstätte die deutschen Münzen prägen sollte, sondern die Münzstätten der Teilstaaten, die dazu bereit waren, diese Aufgabe zu übernehmen. Dies waren vor allem die bedeutenden Staaten und Stadtstaaten: Die Königreiche Preußen, Bayern, Sachsen und Württemberg, die Großherzogtümer Baden und Hessen sowie die freie Hansestadt Hamburg. 

1953 wurde die sächsische Münzstätte Muldenhütten in der damaligen DDR geschlossen. Foto: Numiscontrol / CC BY-SA 3.0 de

Einige Münzstätten wurden bereits kurz nach der Einführung der neuen Währung aufgegeben. Schon damals kristallisierten sich die heute noch tätigen deutschen Münzstätten heraus: das preußische Berlin, das bayerische München, das württembergische Stuttgart, das badische Karlsruhe und die freie Reichsstadt Hamburg. Einzige heute nicht mehr tätige Münzstätte war das sächsische Muldenhütten, das als Münzstätte der DDR 1953 den Betrieb einstellen musste, weil die gesamte Münzprägung des Landes auf die Münzprägeanstalt der DDR in Berlin konzentriert wurde.

Die Münzstätten in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg

Die genannten sechs Münzstätten produzierten die Münzen des Kaiserreichs, der Weimarer Republik und des Dritten Reiches. Und als es darum ging, nach dem Sieg der Alliierten über Nazi-Deutschland eine neue Währung einzuführen, entschied man sich, dieses System beizubehalten. In Westdeutschland blieben alle Münzstätten in Betrieb. Man erarbeitete für sie ein austariertes System, nach dem noch heute die Münzprägung sowohl dem Bund als auch den Bundesländern untersteht. Als man die DDR in das Bundesgebiet eingliederte, wurde dieses System für Berlin übernommen.

Juristische und administrative Stellung der deutschen Münzstätten

Deutschland ist ein Land, das drei politische Ebenen kennt: 

  • die kommunale Ebene, 
  • die Bundesländer als Nachfahren der einstigen Fürstentümer 
  • die eigentliche Bundesregierung derzeit unter Kanzlerin Angela Merkel. 

Während in vielen anderen Ländern die Münzstätte direkt der obersten Finanzbehörde untersteht, ist in Deutschland aus den erläuterten historischen Gründen die Münzprägung organisatorisch zwischen Bund und Bundesländern angesiedelt.

1950 legte der Gesetzgeber in § 7 des Gesetzes über die Ausprägung von Scheidemünzen folgendes fest:
7.1 Die Scheidemünzen werden im Auftrag und für Rechnung des Bundes in den Münzstätten derjenigen Länder ausgeprägt, die sich dafür bereit erklären. Das Verfahren bei der Ausprägung unterliegt der Aufsicht des Bundesministeriums der Finanzen.
7.3 Der Bundesminister der Finanzen bestimmt mit Zustimmung des Bundesrats die Verteilung der auszuprägenden Beträge auf die einzelnen Münzstätten und die ihnen für die Prägung jeder einzelnen Münzgattung gleichmäßig zu gewährende Vergütung.

Für die Einführung des Euro wurde das deutsche Münzgesetz nur leicht umformuliert. Das zuletzt am 22. Dezember 2011 aktualisierte Gesetz schreibt in § 6 folgendes vor:
6.1 Die deutschen Euro-Münzen und die deutschen Euro-Gedenkmünzen werden von denjenigen Münzstätten der Länder ausgeprägt, die sich dazu bereit erklären und die der Bund beauftragt. Das Verfahren bei der Ausprägung unterliegt der Aufsicht des Bundesministeriums der Finanzen.
6.2 Das Bundesministerium der Finanzen bestimmt die Verteilung der auszuprägenden Beträge auf die einzelnen Münzstätten und die ihnen für die Prägung jeder einzelnen Münzgattung zu gewährende gleichmäßige und angemessene Vergütung.

Das bedeutet, dass Deutschland erst sein Münzgesetz ändern müsste, um seine Münzprägung international auszuschreiben. Außerdem kann die Schließung einer deutschen Münzstätte nicht von der Bundesregierung, sondern ausschließlich vom Finanzministerium des dafür zuständigen Bundeslandes beschlossen werden. Für die Bundesländer sind die Münzstätten mit Staatsmitteln teilfinanzierte Arbeitsgeber, die zum eigenen Bundessozialprodukt beitragen. Warum also sollte eine einzige staatliche Münzstätte Deutschlands geschlossen werden, solange sie dem jeweiligen Bundesland keinen Verlust einbringt?

Hier kommen Sie zu den Websites der verschiedenen deutschen Münzstätten: Berlin, Hamburg, Karlsruhe, München, Stuttgart.

Den Text zum Gesetz über die Ausprägung von Scheidemünzen vom 8. Juli 1950 finden Sie im Bundesgesetzblatt 323.

Und das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz stellt das Münzgesetz vom 16. Dezember 1999 zur Verfügung.

Dieser Artikel wurde in englischer Sprache erstmals im Mint News Quarterly 03 / 2016 publiziert. Das Mint News Quarterly wird von Currency News in Zusammenarbeit mit Monea herausgegeben. Verantwortliche Redakteurin ist Ursula Kampmann.