Verflechtungen im Kulturgutschutz – amerikanische Variante

[bsa_pro_ad_space id=4]

von Annika Backe

11. Mai 2017 – Einstimmig hat der UN-Sicherheitsrat am Freitag, den 24. März 2017, die Resolution 2347 zum Schutz von Kulturgut angenommen. Zuvor hatte die UNESCO-Generalsekretärin Irina Bokova die Zerstörung von Kulturgut ein Kriegsverbrechen genannt. Die Bekämpfung des Terrorismus müsse auch den Schutz von Kulturgut einschließen. Wohl jeder, der die Bilder der Zerstörung des IS in Irak und Syrien gesehen hat, wird dem zustimmen. Ob die Politik jedoch adäquat reagiert, daran haben Sammler und Händler schwere Zweifel. Nachdem in Deutschland seit dem 6. August 2016 das von Ministerin Monika Grütters vorbereitete Kulturgutschutzgesetz (KGSG) gilt, fühlen sich Münzliebhaber in den USA durch vergleichbare Gesetzesvorhaben zunehmend kriminalisiert. Ein Blick über den großen Teich zeigt zudem, wie eng auch beim Thema Kulturgutschutz Politik und Wirtschaft miteinander verflochten sind. 

Die Protagonisten

Genauso prominent wie präsent, das ist Deborah M. Lehr. Sie ist die Gründerin der Antiquities Coalition, die auch vielen hiesigen Sammlern ein (negativ besetzter) Begriff ist. Diese Seite behauptete gebetsmühlenartig, der IS finanziere sich wesentlich mit den auf ca. 7 Milliarden US-Dollar zu beziffernden Einnahmen aus dem illegalen Handel von geplünderten Kunstwerken vorrangig aus Irak und Syrien. Ungeachtet der Entkräftung dieser Behauptung von Expertenseite, benennt Lehr in öffentlichen Vorträgen jene, die sie für die „bad guys“ – also die verantwortlichen Schurken – hält: Der IS und die Händler, wobei letztere wohl stellvertretend für den gesamten Kunstmarkt zu verstehen sind. 

Da Frau Lehr den Anschein erweckt, als wolle sie den Kunsthandel – letztlich auch in seiner legalen Form – abschaffen, formiert sich unter den amerikanischen Münzliebhabern breite Opposition. Rechtsexperten wie Kate Fitz Gibbon äußern sich auf Plattformen wie dem Committee for Cultural Policy und rufen zu einem Vorgehen mit Augenmaß auf. Dort kommentiert auch Peter K. Tompa, selber begeisterter Sammler antiker Münzen, die jüngsten Entwicklungen in seinem Blog Cultural Property Observer. Derzeit veröffentlicht er immer mehr Belege für personelle Verstrickungen von Deborah Lehr und ihrem direkten Umfeld zwischen Politik und Wirtschaft. 

Für ihre Mission ist Frau Lehr bestens aufgestellt: Wie aus Unterlagen der amerikanischen Steuerbehörden hervorgeht, erhält ihre Organisation Antiquities Coalition auskömmliche 1,4 Millionen Dollar von Geldgebern, die anonym bleiben. Das ermöglicht die Unterhaltung eines eigenen Think Tank mit Research Fellows. Sämtliche Medien einschließlich sozialer Netzwerke werden genutzt, um den selbst formulierten Auftrag zu propagieren. Laut ihrer Webseite vereint die Organisation „unterschiedliche Experten im weltweiten Kampf gegen den Ausverkauf von Kultur: den illegalen Handel mit Antiken durch das organisierte Verbrechen und terroristische Vereinigungen“. 

Die Offenlegung ihrer Beziehungen zur Wirtschaft betreibt Frau Lehr dagegen weniger intensiv. Sie ist verheiratet mit John F. W. Rogers, dem Stabchef des weltweit agierenden Investmentbanking- und Wertpapierhandelsunternehmen Goldman Sachs. Dessen sehr enge Beziehungen zur Clinton-Familie seit 1990 intensivierten sich laut Medienberichten in den 2000ern. Die zahlreichen Zuwendungen und Vergünstigungen, die Hillary Clinton erhielt, wurden ihr zu einer schweren Bürde im Präsidentschaftswahlkampf. Und unter Präsident Donald Trump ist nun der bisherige Goldman Sachs-Vizechef Gary Cohn zum obersten Wirtschaftsexperten der USA aufgestiegen.

Ebenfalls bei Goldman Sachs ist Dina Powell, die von Lehrs Ehemann rekrutiert wurde, als sie noch im State Department unter Präsident Bush beschäftigt war. In dieser Funktion war sie mitverantwortlich dafür, dass 2007 die Importbedingungen für zyprische Münzen verschärft wurden. Kritiker sehen dies als Präzedenzfall, in dessen Folge auch der Import bestimmter Münzen aus anderen Ländern, wie Italien und Griechenland, stark eingeschränkt wurde. 

Wie Medien jüngst berichteten, plant Präsident Trump, Dina Powell – seine Beraterin für ökonomische Initiativen – zur Beraterin für die nationale Sicherheit zu ernennen. Die amerikanische Sammlergemeinde befürchtet nun, sie könne unter der Überschrift der Terrorbekämpfung noch massivere Einschränkungen durchdrücken.

Und es gibt noch mehr personelle Verflechtungen rund um Deborah M. Lehr. Sie ist eine der Gründerinnen von Basilinna. Diese Firma bietet hoch dotierte Beratungsdienste für Unternehmen in China und dem Nahen Osten an, als Vermittler am Schnittpunkt zwischen Regierung und Wirtschaft. Mit an Bord ist Katie Paul, Chefin der Abteilung Multi-Media Communications. Und dass Frau Paul ihre Arbeit gut macht, zeigt sich schon daran, dass sie neben Deborah Lehr als Stabschefin in deren Antiquities Coalition sitzt. 

Weitreichende Beziehungen

Nun mag man hierzulande den Eindruck bekommen, das sei alles weit weg. Doch dem ist nicht so. Frau Lehr hat nicht nur ein offenes Ohr bei der amerikanischen Regierung. Sie arbeitet auch eng mit der UNESCO zusammen, deren Regelungen sich auf den globalen Kunstmarkt auswirken. Und daran, dass man mit jeder Person auf der Welt über maximal sechs Stationen in Verbindung steht, denkt der deutsche Münzliebhaber spätestens dann, wenn er erfährt, dass Deborah Lehrs Ehemann in einem Komitee sitzt mit Deutschlands Kulturstaatsministerin Monika Grütters…

Einen Beitrag zur Verschärfung des amerikanischen Kulturgutschutzes lesen Sie in der MünzenWoche.

Mehr über Peter K. Tompa erfahren Sie in unserem numismatischen Who’s Who.

Und im Archiv der MünzenWoche finden Sie noch viel mehr zum Thema Kulturgutschutz.