Numismatik im Rheinischen Landesmuseum

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von Ursula Kampmann

2. Oktober 2014 – Rund 95.000 numismatische Objekte; Münzen, Waagen, Münzstempel und Medaillen, die weltweit größte Sammlung von im Rheinland geprägten und gefunden Zahlungsmitteln und Medaillen, es ist einiges, womit Dr. Claudia Klages, Leiterin der numismatischen Abteilung des LVR-Landesmuseums Bonn, aufwarten kann.

Ein Blick in den Innenraum des Rheinischen Landesmuseums Bonn. Foto: KW.

Sollten Sie nicht wissen, was LVR bedeutet, machen Sie sich nichts draus. Es handelt sich um ein für Außenstehende völlig unverständliches Kürzel, mit dem die Verwaltung darauf hinweisen möchte, dass auch das Museum zum „Landschaftsverband Rheinland“ gehört, was immer das sein mag. Otto Normalbesucher spricht deshalb lieber vom Rheinischen Landesmuseum Bonn. Und das gehört zu den ältesten Museen Deutschlands und hat einige ganz besondere Attraktionen zu bieten.

Rekonstruktion des „Neanderthalers“. Foto: KW.

Das bekannteste Exponat des Museums dürfte das berühmte Fossil „Neandertal 1“ sein, anhand dessen in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts erstmals ein „Urmensch“ postuliert wurde.

Das Schädeldach des Neandertalers. Foto: KW.

Ernstgenommen hat die wissenschaftliche Welt den Fund damals nicht. Charles Darwins drei Jahre nach dem Fund publizierte „Entstehung der Arten“ war in der Wissenschaft noch höchst umstritten. Der damals gefeierte Archäologe und Arzt Rudolf Virchow blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1902 überzeugt, es handele sich bei dem Fossil um den deformierten Schädel eines modernen Menschen. Es war ein Ire, der erstmals im Jahr 1864 vom Homo neanderthalensis sprach.

Das Münzkabinett und seine Kuratorin, Dr. Claudia Klages. Foto: KW.

Wie auch immer, wenden wir uns lieber der Numismatik zu. Werfen wir erst einmal einen Blick in das Münzkabinett, wo Frau Dr. Claudia Klages uns in ihrem Arbeitsraum empfängt. Hinter der Tür mit den Bildern vom berühmten Münztyp „Tanzendes Männlein“, liegt das Heiligtum, der große, begehbare Tresorraum.

Im Inneren des Tresorraums. Foto: KW.

95.000 numismatische Objekte, vor allem Fundmünzen aus dem Rheinland, liegen hier …

Blick in einen der Safes. Foto: KW.

… teils auf Tabletts, teils in Schachteln, um die große Menge überhaupt sinnvoll unterbringen zu können.

Blick auf ein Tablett. Foto: KW.

Vor allem im Bereich der römischen Münzen ist das Landesmuseum stark. Man besitzt große Raritäten und bedeutende Münzschätze, von denen wir später einige in der Dauerausstellung sehen werden.

Blick auf ein weiteres Tablett. Foto: KW.

Auch die rheinische Numismatik des Mittelalters und der frühen Neuzeit ist natürlich stark vertreten. Zu den Münzen des Rheinlands dürfte die Sammlung in Bonn weltweit die bedeutendste und umfangreichste sein.

Private Funde, die Frau Klages zur Bearbeitung anvertraut wurden. Foto: KW.

Die reichen Bestände gehen unter anderem darauf zurück, dass die Zusammenarbeit von Frau Klages mit privaten Findern hervorragend funktioniert. Gleich mehrere Kisten stehen bei unserem Besuch auf einem Tisch und warten auf ihre wissenschaftliche Bearbeitung. Immer wieder, so erzählt Frau Klages, würden stolze Finder ihre Funde dem Landesmuseum nicht nur zeigen, sondern auch schenken oder zumindest für einen sehr günstigen, weit unter dem Marktwert liegenden Preis überlassen.

Wie auch immer, werfen wir einen Blick in die Dauerausstellung, in der ungewöhnlich viele Münzen und Medaillen integriert sind. Eine Freude für jeden Münzsammler. Und wer ein offenes Auge hat, der entdeckt noch viel mehr Objekte, die im Rahmen der Wirtschaftsgeschichte von Interesse sind.

Golddepot von Niederzier. Foto: KW.

Beginnen wir in der neuen Keltenausstellung, in der das Rheinische Landesmuseum Bonn seit Juni 2014 seine unglaublichen Schätze der Öffentlichkeit präsentiert. Dazu gehört zum Beispiel der Depotfund von Niederzier, in dem ein Armreif und zwei Torques, dazu 46 Regenbogenschüsselchen vergraben waren.

Schmuck aus dem Waldalgesheimer Fürstengrab. Foto: KW.

Dass der Schmuck aus dem Waldalgesheimer Fürstengrab auch numismatische Implikationen hat, ist auf den ersten Blick nicht zu sehen.

Vergrößerung des Endstücks von einem der Torques. Foto: KW.

Schlaue Forscher haben ausgerechnet, dass sich das Gewicht der aufwändig hergestellten Ringe wunderbar durch das makedonische und persische Münzgewicht teilen lässt. Wahrscheinlich, so nimmt man an, wurden entweder Goldstatere von Philipp II. oder Dareiken eingeschmolzen, um den prachtvollen Schmuck herzustellen.

14992_9f87394a.jpgfreigestelltSchlaue Forscher haben ausgerechnet, dass sich das Gewicht der aufwändig hergestellten Ringe wunderbar durch das makedonische und persische Münzgewicht teilen lässt. Wahrscheinlich, so nimmt man an, wurden entweder Goldstatere von Philipp II. oder Dareiken eingeschmolzen, um den prachtvollen Schmuck herzustellen.

Goldbecher von Fritzdorf. Foto: KW.

Nicht aus der Epoche der Kelten, sondern aus der Bronzezeit stammt der berühmte Goldbecher von Fritzdorf, den ein Landwirt Mitte des 20. Jahrhunderts bei der Anlage einer Rübenmiete fand. Er ist ein beeindruckendes Zeugnis für den schon in der Bronzezeit existierenden Handel. Ähnliche Becher nach kretisch-mykenischem Vorbild wurden in Südengland und der Schweiz gefunden.

Nicht in Bonn zu besichtigen, sondern im Schweizerischen Frauenfeld: Der Goldbecher von Eschenz. Foto: KW.

Für den Goldbecher von Eschenz würden manche Wissenschaftler heute gerne annehmen, dass er mit all seinen Punkten auch als Kalender gedient hat.

Das Grab des Herrn von Morken. Foto: KW.

Aber zurück ins Landesmuseum Bonn. Dort ist im Zwischengeschoss ein Schlüsselfund aus der Zeit um 600 ausgestellt. Der Grabinhalt des „Herrn von Morken“. Einige der dort entdeckten Gegenstände haben eine weite Reise hinter sich. Sie kommen aus England oder Skandinavien, aus Italien, China…

Der Charonspfennig im Mund des Herrn von Morken. Foto. KW.

… und aus Byzanz, wie der geschulte Numismatiker sofort erkennt, wenn er sich den Charonspfennig im Mund des Bestatteten genauer ansieht.

Frau Klages ist zu Recht stolz darauf, wie viele Münzen und Medaillen sie in der Dauerausstellung unterbringen konnte. Foto: KW.

Es gibt in der Dauerausstellung sogar einen Raum, in dem einige Vitrinen ausschließlich der Numismatik gewidmet sind. Hier findet man einige ganz besondere Prachtstücke:

Aureus des Caracalla in antiker Fassung. Foto: KW.

Einen Aureus des Caracalla in antiker Fassung, …

Aureus des Postumus. Foto: KW.

… einen äußerst seltenen Aureus des Postumus mit einer Largitio-Szene und …

Belagerungsklippen. Foto: KW.

… einige Belagerungsklippen, die während der Belagerungen von Köln und Jülich entstanden.

Truppenkasse von Niederbieber. Foto: KW.

Noch mehr Münzen bietet die römische Abteilung, wo der Münzschatz von Niederbieber ausgestellt ist. Es handelt sich um ein numismatisches Zeugnis für die Zerstörung des Kastells durch die Franken im Jahr 260 n. Chr.: Unter den 889 Antoninianen gab es keinen einzigen, der nach dem Jahr 258 geprägt worden war.

Münzschatz II von Niederbieber. Foto: KW.

Ein zweiter, etwa um die gleiche Zeit vergrabener Münzschatz kam in der Nähe des Stabsgebäudes von Niederbieber zum Vorschein, wo einst nicht nur der Kommandant zu finden war, sondern auch Fahnenheiligtum und Kasse der Einheit. Auch hier stammen die Schlussmünzen aus dem Jahr 258.

Tempelschatz aus Xanten. Foto: KW.

Gleich daneben liegt der Tempelschatz aus Xanten, der in einem Tempel der Matronen gefunden wurde. Allein die Münzen wiegen über vier römische Pfund, also zusammen rund 1.385 g.

Matronenaltar, errichtet 164 n. Chr. Foto: KW.

Sollten Sie – wie ich – vorher noch nie etwas von den Matronen gehört haben, lernen Sie sie im Rheinischen Landesmuseum kennen. Es handelt sich um weibliche Gottheiten, die anscheinend eher ihm gallo-römischen Raum verehrt wurden. Zeugnisse für diesen Kult sind die so genannten Matronensteine, Weihesteine und Altäre, von denen allein in der Provinz Niedergermanien über 800 gefunden worden sein sollen. Ein schöner Teil dieser Funde wird im Rheinischen Landesmuseum Bonn aufbewahrt.
Man erkennt die göttlichen Damen übrigens relativ einfach an ihren gewaltigen melonenförmigen Frisuren und der Tatsache, dass sie immer zu dritt auftreten.

Marcus Caelius, gefallen in der Varusschlacht. Foto: KW.

Noch viele weitere interessante Objekte sind in der Abteilung „Rom“ zu sehen. Beschränken wir uns auf zwei Stücke. Berühmt ist der Kenotaph des Marcus Caelius, der die einzige epigraphische Quelle zur Varusschlacht darstellt. Die historisch so bedeutende Inschrift lautet (in Übersetzung): Für Marcus Caelius, Sohn des Titus, aus der Tribus Lemonia, aus Bonn. Centurio 1. Ordnung der 18. Legion. 53 ein halb Jahre alt. Er ist gefallen im Krieg des Varus. Gebeine dürfen hier eingelegt werden. Publius Caelius, Sohn des Titus, aus der Tribus Lemonia, sein Bruder hat (den Grabstein) gemacht.

Bronzeporträt des Gordian III. Foto: KW.

Für Numismatiker genauso interessant ist dieser äußerst seltene Bronzekopf von Gordian III., der zeigt, dass der junge Mann in Realität genauso merkwürdig aussah wie auf seinen Münzen.

Blick in den Museumssaal, der der Wirtschaft im Rheinland gewidmet ist. Foto: KW.

Wem das immer noch nicht genug ist: Ein ganzer Saal ist der Wirtschaft des Rheinlands gewidmet.

Waage. Foto: KW.

Hier findet man einige Beispiele von Erzeugnissen der im Rheinland heimischen Waagenindustrie.

Münzfund von Kestenich aus dem 17. Jahrhundert. Foto: KW.

Und natürlich gibt es auch zahlreiche Münzschätze, wie den Münzschatz von Kestenich, der im 17. Jahrhundert niedergelegt wurde, …

Münzfund von Weiler, Mitte des 15. Jahrhunderts. Foto: KW.

… oder den Münzfund von Weiler aus der Mitte des 15. Jahrhunderts.

Rhenus Bicornus. Foto: KW.

Sehr schön für Kenner der Numismatik des gallischen Kaiserreichs ist dieser Rhenus Bicornus, der sofort verständlich macht, warum in Münzbeschreibungen so oft vom „gehörnten Rhein“ die Rede ist.

Die Schlesischen Weber. Gemälde von Carl Wilhelm Hübner aus dem Jahr 1844. Foto: KW.

Schließen wir unseren kleinen Rundgang durch das Rheinische Landesmuseum Bonn mit einem Blick auf ein Bild, das Carl Wilhelm Hübner zum Leiden der Weber in Schlesien anfertigte. Die Zeitungen hatten 1843 ausführlich über die Not der Menschen berichtet, und der Maler griff – wie viele Intellektuelle – dieses Thema auf. Heinrich Heine sollte sein berühmtes Weberlied schreiben („Deutschland, wir weben dein Leichentuch“), Carl Wilhelm Hübner drückte seine Kritik in der abwehrenden Körperhaltung des Fabrikanten und dem ihn umgebenden Luxus aus.

Sie sehen also, es gibt viel Numismatisch-Wirtschaftsgeschichtliches zu sehen im Rheinischen Landesmuseum Bonn. Einen Besuch können wir nur empfehlen!

Mehr zum Rheinischen Landesmuseum finden Sie hier.

Auf Youtube finden Sie einen kleinen Film (reich illustriert, aber nur in Deutsch und nicht wirklich aufregend) über die Ausstellung.

Sollten Sie das Haus besichtigen, zögern Sie nicht bei leichten Erschöpfungserscheinungen das darin befindliche Restaurant Delikart zu besuchen. Es wird alle ihre Vorurteile hinsichtlich schlechter Küche im Museum mit Leichtigkeit widerlegen.

Mehr zu Frau Dr. Claudia Klages erfahren Sie auf der Website der Numismatischen Kommission der Länder.

Wunderbar mit einem Besuch im Rheinischen Landesmuseum lässt sich ein Abstecher ins Haus der Deutschen Geschichte verbinden. Dort wird nicht nur die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erzählt. Man erfährt auch viel über deren Geld- und Wirtschaftsgeschichte.