Hobbysammler oder Schwerverbrecher? Kontroverse um Prozess in Florida

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von Teresa Teklic

17. April 2014 – Im Februar 2013 wurden 14 US Bürger überraschend festgenommen. Die Verdächtigen wurden in ihren Häusern überrumpelt, nachts aus dem Schlaf gerissen, von den Agenten des Einsatzkommandos mit Waffen bedroht. Die Frau eines Verdächtigen wurde so lange eingeschüchtert bis sie einer Hausdurchsuchung zustimmte, während ihr Mann außer Haus war. Neben den 14 Festnahmen gab es 6 Hausdurchsuchungen und mehr als 400 Anklagen. Selbst ohne die Kosten der Hausdurchsuchungen und die noch ausstehenden Prozesskosten hat die „Operation Timucua“ bereits mehr als $130.000 gekostet.

Keiner der Angeklagten hat eine kriminelle Vorgeschichte. Alle sind sie normale Bürger, darunter ein 24 jähriger Militärveteran, ein 74 jähriger Universitätsprofessor im Ruhestand und ein Maurer. Für viele hatte der Fall verheerende Konsequenzen: Rufmord, Schulden, Scheidung, Selbstmord.

Die Operation Timucua war eine von der FWC (Florida Fish and Wildlife Conservation Commission‘s Division of Law Enforcement) geplante und durchgeführte Aktion, um das Plündern von Artefakten auf Staatsboden in Florida einzudämmen. Gegenstände, wie z.B. Pferdezähne oder die Hauer eines Ebers, dürfen legal von ihren Fundorten entfernt werden, vorausgesetzt man ist im Besitz einer bestimmten Erlaubnis. Für Artefakte jedoch, d.h. von Menschenhand hergestellte Gegenstände die mehr als 50 Jahre alt sind, gelten andere Regeln. Findet und entfernt man diese aus Flüssen, anderen Gewässern oder Wäldern, die Staatseigentum des Bundesstaates Florida sind, macht man sich strafbar.

Das Sammeln hat in Florida eine lange Tradition. Seit mehr als 100 Jahren gehen die Menschen dort diesem Hobby nach. In den 60er und 70er Jahren wurde das Sammeln von Artefakten verboten, was jedoch den Aktivitäten solcher Sammler kein Ende setzte. Daher wurde in den 90er Jahren erneut ein Gesetz erlassen, das sogenannte „Isolated Finds Program“, das zwischen Artefakten unterscheidet, die sich an ihrem ursprünglichen, historischen Fundort befinden und nicht entfernt werden dürfen, und solchen die natürlicherweise schon aus ihrem früheren Kontext entfernt worden sind und die damit legal gesammelt werden dürfen. Eine indianische Pfeilspitze, zum Beispiel, die als „isolierter Fund“ zwischen Bierdosen auf dem Grunde eines Flusses gefunden wird, dürfte gesetzmäßig entfernt werden. Da das Gesetz jedoch von Plünderern immer wieder umgangen wurde, wurde es 2005 wieder abgeschafft.

Die während der Operation Timucua Festgenommenen sind Hobbysammler. Teilweise archivieren, kaufen und verkaufen sie die Pfeilspitzen und anderen Artefakten lediglich, andere graben die Gegenstände auch selber aus. Viele von ihnen berichten, dass sie leidenschaftliche Sammler sind und die Faszination von der Geschichte ihres Landes schon aus ihrer Kindheit stammt, von ihren Vätern vererbt wurde, mit denen sie über die Felder spazierten auf der Suche nach den Überresten früherer Zivilisationen. Im Prozess werden sie argumentieren, dass sie nur einem Hobby nachgehen, das niemandem schadet und dass sie zufällig Opfer der FWC geworden sind, die ein Exempel statuieren wollte. Einer der Festgenommenen sagte z.B. aus, er habe nicht gewusst, dass das, was er tue, illegal sei. Er pflege seit Jahren gute Beziehungen zu mehreren Archäologen in Florida und niemand habe ihn jemals darauf hingewiesen, dass seine Aktivitäten ungesetzmäßig seien.

Einige Archäologen haben den Angeklagten öffentlich Rückhalt ausgesprochen. Archäologische Fundsachen seien im Interesse der Allgemeinheit und es sei unverantwortlich die Angeklagten wie Schwerverbrecher zu behandeln. Eine weitere, erhebliche Unstimmigkeit im Umgang mit dieser Thematik ist die Tatsache, dass Museen und staatliche Institutionen mit der Archivierung der in Florida gefundenen Artefakte völlig überfordert sind. In den 9 Jahren des Isolated Finds Programs hätten 150 Bürger 10.720 Funden in 51 Flüssen und Gewässern gemeldet, heißt es in der Tampa Bay Times. Der Staat, der bereits mehr als 500.000 Artefakte besitzt, wollte diese Gegenstände allerdings nicht haben.

10 Monate nach den Festnahmen wurden zwei der Anklagen fallen gelassen. 4 der 14 Verdächtigen stehen nicht offiziell unter Anklage durch die Staatsanwaltschaft, die übrigen werden vor Gericht gestellt. Die Kontroverse um die Vorgehensweise der FWC bleibt bestehen. Abgesehen von der fraglichen Darstellung von Fakten auf Pressekonferenzen von Seiten der FWC, hat die Behörde laut Meinung der Angeklagten einerseits die falschen Leute erwischt – harmlose Sammler statt professioneller Plünderer – und ist andererseits viel zu weit gegangen mit ihrem strategischen Einsatz von Einschüchterung, Hausdurchsuchungen und sogar mit Hilfe eines Undercover Agenten. Offen bleibt auch die grundsätzliche Frage, wer Besitzansprüche an historische Artefakte stellen darf – „gehört“ die Geschichte eines Landes wirklich dem Staat oder sollte nicht jeder Bürger als Teil dieses Staates berechtigt sein daran teilzuhaben?

Alle Informationen sind einem Bericht der Tampa Bay Times entnommen. Zum englischsprachigen Originalartikel geht es hier.