Ein weiterer Fälscher in Hampshire?

von Chris Rudd
übersetzt

Am 5. August 2012 fand ein Sondengänger in der Nähe von Andover, North Hampshire, eine spätkeltische Münzpunze. Der Fundort liegt nicht weit weg von der Grenze zwischen den antiken Stämmen der Belgae („die Geschwollenen“) und der Atrebates („die Siedler“), die vor zweitausend Jahren dort lebten.

Bronzene Punzenmatrix eines Fälschers?, 15 x 16 mm, 23,25 g, für Silbermünzen des Lyra-Typus (vgl. ABC 647, 650), um 55-40 v. Chr. Es ist die einzige britannische Punze mit einem Positiv-Bild (bei einem normalen Stempel wäre der Kopf vertieft eingeprägt und das Gesicht würde nach links blicken). Gefunden in der Nähe von Andover, North Hampshire, 5.8.2012. Foto: Chris Rudd.

Die Punze ist nicht größer als ein kleiner Fingerhut und zylindrisch geformt. Sie ist aus Bronze und kann in die Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr. datiert werden; sie trägt das Bildnis eines stilisierten Apollokopfes mit sichelförmigen Locken und einem Diadem. Ähnliche Köpfe finden sich auf zwei frühen Silbermünzen der Regini („die Großen“ oder „das stolze Volk“), die in West Sussex lebten.

Sussex-Lyra-Silbermünze, 13 mm, 1,29 g, ABC 647. Eine der ersten in Britannien hergestellten Silbermünzen, um 55-40 v. Chr. Von einem gallischen Stempelschneider gefertigt? Aus dem Arundel-Hortfund, West Sussex, 1994. Foto: Chris Rudd.

Diese beiden Münzen sind Kopien von Münzen aus Zentralgallien, die Apollo mit Lyra zeigen, und bekannt als Sussex Lyra (ABC 647) …

Chichester-Lyra-Silbermünze, 15 mm, 1,30 g, ABC 650. Lokal geschnittene Version des Sussex-Lyra-Typus, um 55-40 v. Chr. Beide waren Vorbilder der Andover-Punze. Gefunden in Tangmere, nahe bei Chichester, West Sussex, 1996. Foto: Chris Rudd.

… und Chichester Lyra (ABC 650). Die beiden Typen sind eng verwandt, der zweite ist eine unbeholfene Kopie des ersten. Beide wurden wohl in der Nähe von Chichester geprägt in der Zeit um 55-40 v. Chr.

Mit der Andover-Punze wurden allerdings keine Münzen geprägt, denn ihr Bild ragt im Relief hervor wie bei einer Münze, es ist ein Positiv-Bild, nicht ein Negativ-Bild wie bei einem gewöhnlichen Münzstempel. Wenn die Andover-Punze aber kein Münzstempel ist, was ist sie dann und wie wurde sie verwendet? Ich habe Dr. John Sills gefragt, Mitautor von Ancient British Coins (ABC), der sich mit keltischen Münzen und ihrer Herstellung besser auskennt als ich. Er sagte:

„Die Prägung auf der Punze entspricht der Chichester-Lyra-Münze, ABC 650, obwohl die Nasen-Mund-Region dem Sussex-Lyra-Typ, ABC 647, näher steht. Insgesamt sind die Form des Gesichtes und insbesondere die Form und Anlage der Haarlocken nahezu identisch mit der Chichester-Lyra-Münze, und auch auf ABC 650 lässt sich wie auf der Punze auch hinter dem Haar ein Teil eines Perlenrandes erkenne – anders als auf den Sussex-Lyra-Münzen, die keinen Rand haben. Die Chichester Lyra kopiert die Sussex-Lyra-Prägungen, und es ist daher gut möglich, dass die Punze ein in der Serie frühes Brustbild des Chichester-Lyra-Typus darstellt, wodurch sich auch die relativ klar gravierte Nase und der Mund erklären würden.
Die präzise Funktion des Objekts ist unklar, und es gibt verschiedene Möglichkeiten. Es könnte sich um ein Versuchsstück handeln oder das eines Lehrlings, das von einem britannischen Stempelschneider gefertigt wurde, der bei einem gallischen Graveur in die Lehre gegangen war oder noch ging. Dies entspräche dem exzellenten Selsey-Typus, der von einem belgischen Stempelschneider graviert wurde, der danach einen gebürtigen britannischen Nachfolger ausbildete. Dieser stellte in der Folge die Stempel für die bekanntermaßen grobschlächtig ausgeführten Chichester-Lyra-Silbermünzen her; das würde außerdem zu dem typologisch frühen Brustbild passen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass man die Punze einsetzte, um damit Vorderseitenstempel herzustellen, die danach von Hand nachgebessert wurden. Das große Problem damit ist allerdings, dass das Brustbild sehr weit außerhalb des Mittelpunkts steht; eine Punze, mit der man ordentliche Stempel produzieren möchte, müsste sauber zentriert sein wie im Fall der Pegasus-Punze aus Manching. Würde man dieses Stück als Punze verwenden, erhielte man auf dem neuen Stempel eine Kante direkt vor dem Gesicht, so dass man diese erst glätten müsste, um die Motive vor dem Gesicht und den Rest des Perlrandes hinzufügen zu können.
Das ist unwahrscheinlich bei einer offiziellen Münzstätte und eröffnet somit die Möglichkeit, dass es eine Punze sein könnte, die von Gussabdruck einer echten Münze stammt oder von einem echten Stempel, die schließlich genutzt wurde, um einen oder mehrere Stempel für versilberte Fälschungen anzufertigen. Das würde erklären, warum das Bildnis nicht zentriert ist: Falls es gegossen wurde, so kann die Münze, mit der man die Matrix herstellte, sehr leicht aus dem Zentrum gerutscht sein; wurde es geprägt, so wäre es ein einfacher Fehler beim Positionieren des Stempels gewesen.
Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass der kleine Riss auf dem Zylinder des Stückes und die leichte Weitung an der Basis nicht nur darauf hinweisen, dass damit Prägungen gefertigt wurden, sondern es kann ebenso bedeuten, dass damit das Bild (wenn auch nicht die Trommel selbst) eher geprägt als gegossen wurde. Falls letzteres der Fall ist, dann könnte ein alter Stempel an beiden Seiten geglättet worden sein, um ein neues Bild eingravieren zu können, woraus folgen würde, dass die Zeichen von Abnutzung am Schaft zumindest teilweise auf diese frühere Nutzung zurückzuführen wären. Der schwache Hinweis auf einen abgefeilten Überstand, vermutlich ein Stachel, mit dem der Stempel in einem hölzernen Amboss in Position gehalten wurde, ist sichtbar am Boden, obwohl es ebenso ein Gussfehler sein könnte.
Bis eine echte oder nur versilberte Münze mit exakt dem Bildnis auf dem Andover-Stück auftaucht, scheint es schwierig, die oben referierten Möglichkeiten einzugrenzen, und es wäre auch sehr gut denkbar, dass es sich um das Stück eines Lehrlings handelte; alles in allem würde ich doch vorsichtig dazu tendieren, es für eine Punze zu halten, mit der Stempel für Fälscher hergestellt wurden.“

John Sills könnte sehr wohl recht haben mit seinem Vorschlag, dass die Andover-Punze ein Probestück oder das Produkt eines Lehrlings gewesen sein könnte, oder aber dass damit Vorderseitenstempel hergestellt wurden. Ich neige allerdings stärker dazu, darin einen verpfuschten Versuch von Fälschern zu sehen, der vielleicht weggeworfen wurde, weil er nichts taugte. Ich bevorzuge diese Ansicht aus fünf Gründen:

1. Die Punze wurde außerhalb des Kerngebiets der Regini gefunden, etwa vierzig Meilen entfernt von dort, wo man annimmt, dass die Sussex-Lyra- und Chichester-Lyra-Münzen (seine Vorbilder) geprägt wurden. Hätte es sich dabei um eine „offizielle“ Ur-Punze eines Herrschers in West Sussex gehandelt, hätte ich erwartet, dass man sie innerhalb von zehn Meilen um Chichester gefunden hätte – falls sie nicht einst gestohlen wurde.

Das Grenzgebiet zwischen Atrebates, Belgae und Regini im nördlichen Hampshire war anscheinend ein Brennpunkt für Münzkopien und -fälschungen um etwa 150-40 v. Chr., bis Commios die Münzprägung in dieser Gegend kontrollierte. Quelle: Chris Rudd.

2. Dieser Teil von North Hampshire – ein No-man’s-Land zwischen zwei Stämmen? ein sicherer Hafen für verbrecherische Münzmeister? – scheint auch ansonsten für Fälschungen genutzt worden zu sein, oder zumindest für Nachprägungen gallo-belgischer Münzen (siehe unten).
3. Das Bildnis erscheint mir zu stark dezentriert, als dass ich darin eine „offizielle“ Ur-Punze sehen könnte. Allerdings kann ich verstehen, wenn John annimmt, es könnte ein Versuch gewesen sein.
4. Der Sussex-Lyra-Typ – eine der ersten Silbermünzen, die in Britannien geprägt wurden – besteht fast aus reinem Silber (bis zu 95 Prozent mit einem Hauch von Gold), weswegen es sich gelohnt haben dürfte, diese Münze in einer weniger edlen Legierung oder mit einem Bronzekern zu fälschen.
5. Ein einfacher Weg Fälschungen herzustellen bestand darin, Kopien in Lehmmodeln zu gießen. Die Technik war im südöstlichen Britannien wohlbekannt, und die Andover-Punze könnte dafür bestimmt gewesen sein, in hoher Geschwindigkeit bei relativ niedrigen Kosten mehrfache Abdrücke in Lehm zu fertigen. Ist das nicht die einfachste und naheliegendste Erklärung für das Positiv-Bild?

Die Andover-Punze ist keineswegs der einzige Hinweis auf illegales Münzprägen, Kopieren oder Fälschen in North Hampshire.

Bronzener Fälscherstempel, 15 x 18 mm, 33,96 g, für die Vorderseite eines gallo-belgischen „Faustkeil“-Goldstaters, etwa frühes 1. Jahrhundert v. Chr. (vgl. ABC 13), wie diese kleine, erodierte, vergoldete Fälschung aus einem nahegelegenen Feld. Gefunden in Rotherwick, bei Basingstoke, North Hampshire, etwa am 8.8.1993. Fotos: British Museum (Stempel), Jeffrey May (Münze).

Um den 8. August 1993 herum entdeckte der Sondengänger David Walsh einen abgenutzten Vorderseitenstempel für einen gallo-belgischen „Faustkeil“-Goldstater (ABC 13) in Rotherwick, östlich von Basingstoke, und in einem nahegelegenen Feld fand er einen vergoldeten Faustkeil-Stater, was nahelegt, dass dieser vor Ort gefertigt wurde.

Bronzener Stempel von Fälschern, 23 x 18 mm, 46,80 g, für die Rückseite eines gallo-belgischen Kreuzlinien-Viertelstaters, um die Mitte oder zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. (vgl. ABC 37), wie die vergoldete Fälschung aus Frankreich. Gefunden in der Nähe von Alton, North Hampshire, 22.4.2003. Fotos: Trevor Evans, Hampshire County Council Museums Service (Stempel), Chris Rudd (Münze).

Zehn Jahre später, am 22. April 2003, stieß der Sondengänger Christopher Stephens auf dem Hof seiner Eltern in der Nähe von Alton auf einen Fälscherstempel zur Herstellung von gallo-belgischen Kreuzlinien-Viertelstateren (ABC 37). Und das ist nicht alles.

Eine vergoldete Fälschung eines gallo-belgischen Broad-Flan-Staters (4,63 g), um 175-100 v. Chr., Sills Ab1 class 4b, wie dieser echte aus Gold (7,39 g) aus Leighton Buzzard, Bedfordshire, 1849. Gefunden in der Nähe von Andover, North Hampshire, 27.2.2011. Wurden beide in Britannien hergestellt? Quelle: F. W. Fairholt für John Evans, 1864.

Am 27. Februar 2011 fand ein anderer Sondengänger eine vergoldete Fälschung eines gallo-belgischen Broad-Flan-Staters (ABC 4) in der Nähe von Andover. Von dieser Art sind keine weiteren vergoldeten Exemplare bekannt (Sills Ab1, class 4b) – weder aus Britannien noch vom Kontinent –, so dass es nicht unwahrscheinlich erscheint, dass es sich um eine britannische Fälschung handelt, die vielleicht in North Hampshire gefertigt wurde. Angesichts dieser Funde, insbesondere des Alton-Stempels, des Rotherwick-Stempels und der Andover-Punze, und da sie alle innerhalb eines Umkreises von zwanzig Meilen gefunden wurden, schlage ich vor, in North Hampshire eine Gegend intensiven Münzkopierens oder -fälschens zu sehen (vielleicht ein Fälscherparadies?), das vermutlich von der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. bis in die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. existierte, als König Commios und seine Nachfolger die meisten südlichen Münzstätten vom Solent bis zur Themse unter ihre starke königliche Kontrolle stellten.

Keltische Münzstempel sind selten. Keltische Münzpunzen mit einem Positiv-Bild sind außerordentlich selten. Abgesehen von der Andover-Punze – dem einzigen Beispiel auf den britischen Inseln – kenne ich nur zwei oder drei weitere: eine aus dem bayrischen oppidum Manching (oben von John Sills zitiert) …

Bulgarische Bronzematrixpunze, 32 x 22 mm, zur Produktion von Vorderseitenstempeln oder um Gussmodeln zu formen, mit denen Sattelkopfpferd-Silber-Tetradrachmen (vgl. Göbl OTA 300) hergestellt wurden, etwa spätes 2. / frühes 1. Jahrhundert v. Chr. Wie bei der Andover-Punze ist auch hier das Bild positiv. Gefunden in Russe, nordöstliches Bulgarien. Foto: D. Draganov, 2007.

… eine aus Russe im nordöstlichen Bulgarien und vermutlich eine dritte aus Corent, in der Nähe von Clermont-Ferrand in Zentralfrankreich. Die Russe-Punze wird für eine „Matrix“ gehalten oder eine „Muttermünze“ in der Produktion von (wahrscheinlich aus Lehm gefertigten) Gießmodeln.

Die große Seltenheit der Andover-Punze, ihre ungewöhnliche Form, ihre gesicherte Herkunft – wir wissen genau, wo und wann sie ausgegraben wurde – und die Tatsache, dass sie in einer „von Fälschern verseuchten“ Gegend gefunden wurde, wie die Stempel aus Rotherwick und Alton, all dies lässt ihre Entdeckung zu einem Ereignis besonders herausragender Bedeutung für die Numismatik werden.

Wurde die Andover-Punze verwendet, um Münzen in Lehmmodeln zu gießen, wie im Fall von Britanniens ersten Münzen? Oder um Vorderseitenstempel für die Münzprägung herzustellen? Solange wir keine Münzen kennen, die dem Bild genau entsprechen, werden wir es nicht wissen. Quelle: Chris Rudd.

Die Andover-Punze vermittelt wertvolle neue Erkenntnisse zur Prägetechnik, die bei einigen von Britanniens frühesten ungesetzlichen oder gefälschten Prägungen zum Einsatz kam. Sie verdient es, in einem öffentlichen Museum ausgestellt zu werden, wo sie künftigen Studenten zugänglich ist, anstatt in einer Privatsammlung verborgen zu sein wie die Russe-Punze. Daher freut es mich besonders, dass das British Museum und der Hampshire County Council Museums Service ihr Interesse an einem Ankauf bekundet haben. „Es ist ein wichtiger Fund“, äußerte sich Dr. Ian Leins, Kurator für keltische und römische Münzen im British Museum. „Ein aufregender Fund“, so Robert Webley, früherer Angestellter der Fundabteilung von Hampshire.

Was für einen Marktwert hat nun die Andover-Punze? Das ist schwer zu beziffern, da es keine direkten Vorbilder gibt, an denen wir uns orientieren könnten, zumindest nicht in Großbritannien.

Eisenstempel eines Fälschers, 33 x 20 mm, 77,46 g, für Rückseiten eines silbernen Legionärsdenars von Marc Anton, nach 31 v. Chr. (vgl. RRC 544/19, CRI 356). Gemini Numismatic Auctions X, New York, 13.1.2013, $4.500. Foto: Gemini Numismatic Auctions.

Am 13. Januar dieses Jahres wurden in New York zwei Stempel antiker Fälscher für Legionärsdenare von Marc Anton in Auktion verkauft für $4.250 und $4.500. Doch das heißt Äpfel mit Birnen vergleichen, da der Markt für römische Münzen und Stempel ungleich größer – und daher auch kompetitiver – ist als für keltische Münzen und Stempel. Andererseits könnte man argumentieren, dass britannische Münzstempel und -punzen sehr viel seltener sind als römische und somit auch entsprechend wertvoller. Aber selbstverständlich funktioniert die tatsächliche Welt des Münzmarktes nicht so, und die Preise großer Raritäten lassen sich niemals präzise vorhersagen. Es braucht nur zwei vermögende Bieter, die aggressiv gegeneinander bieten, um alle vorherigen Rekorde für eine antike Münze zu brechen. Ich danke dem Finder der Andover-Punze und dem Eigentümer des Landes, auf dem der Fundort liegt, dass sie mir und meinen Kollegen erlaubt haben, das Stück zu untersuchen. Ich danke John Sills und Ian Leins für ihre Hilfe.

Für mehr Informationen zu Chris Rudd und seinen Auktionen, schauen Sie auf seine Website.

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