„Dreißig Silberlinge“ – Kunst und Geld in der Sammlung Haupt

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von Hermann Büchner

29. September 2011 – Ursprünglich auf das Sammeln von Fotografie konzentriert wandte sich der Berliner Rechtsanwalt Dr. Stefan Haupt ca. Mitte der 90er Jahre dem Thema Geldkunst zu. Inspiriert von einem zur Origamie-Skulptur gefalteten 10-Dollar-Schein des in New York lebenden taiwanesischen Künstlers Ming-Wei Lee begann der Sammler Werke in Galerien, auf Messen, später im Internet aufzuspüren und baute den thematischen Schwerpunkt der Sammlung aus.

Niko Luoma: Untitled, 2003. Foto: Hermann Büchner, Berlin.

„Noch auf dem Fototrip, entdeckte ich eine Arbeit von Ming-Wei Lee, einem Taiwanesen, der in New York lebt. Sie besteht aus fünf Fotografien und einer Origamie-Skulptur. Letztere wurde an neun Personen übergeben. Nach sechs und zwölf Monaten besuchte der Künstler die Besitzer der Origamie-Skulptur um festzustellen, was daraus geworden ist. Einem wurde sie gestohlen, drei andere haben dafür Häagen-Dazs-Eis, eine Paul-Simon-CD bzw. Mokassins gekauft – Dinge, die auch ich liebe.
Mir gefiel einerseits, dass die Arbeit aus fünf Fotografien und einer Origamie-Skulptur bestand. Anderseits machte ich die Entdeckung, dass das Thema Geld – was mir bis zu diesem Zeitpunkt undenkbar erschien – in ein Kunstwerk integriert wurde. Letztbeschriebener Eindruck resultierte aus dem Umstand, dass ich mich damals auch nicht auskannte. Auf jeden Fall hatte ich für mich ein scheinbar einmaliges Sammelthema gefunden.“ (Stefan Haupt)

Justine Smith: A Bigger Bang – Black, 2009. Foto: Hermann Büchner, Berlin.

Die Sammlung „Dreißig Silberlinge“ umfasst heute rund 150 Arbeiten ganz unterschiedlicher Techniken und inhaltlicher Ansätze: Neben unikaten Objekten, Ready-mades, Assemblagen und Collagen unter Verwendung von echtem Geld findet sich ein breit gefächertes Spektrum originären Künstlergeldes in Form von Druckgrafik, Zeichnung und Malerei.

Zu Glanzstücken der Sammlung gehören – neben mehreren Arbeiten von Joseph Beuys – ein Zyklus hintersinniger Assemblagen, in denen sich Barton Lidicé Beneš mit Währungen verschiedener Länder künstlerisch auseinandergesetzt hat …

Mathieu Mercier: $, 2000. Foto: Hermann Büchner, Berlin.

… ebenso wie das Lichtobjekt „$“ des Franzosen Mathieu Mercier oder die Bronze „Goldenes Kalb“ des Bildhauers Jochen Schamal.
Eine spezielle Werkgruppe der Sammlung wird durch Videoarbeiten gebildet, zu denen auch ein minimalistischer 30-Minuten-Loop des Bildhauers Georg Herold gehört.
Künstlerbücher mit Tiefdruckarbeiten phantasievoller Währungs-Eigenschöpfungen von Horst Hussel und Jochen Fiedler runden das Bild ab.

Agathe Fleury: L’echo (400 francs), 2011. Foto: Hermann Büchner, Berlin.

„Die anwaltliche Fokussierung auf das Urheber-, Medien- und Verlagsrecht impliziert, dass sich Begegnungen mit Malern, Grafikern, Bildhauern, Galeristen und anderen im künstlerischen Bereich Tätigen ergeben. Irgendwann war es mir zu wenig, mich nur mit den Rechtsproblemen der Künstler zu beschäftigen. Ich wollte wissen, was für Kunst hinter den Problemen steckt und ob mich diese emotional berührt.“ (Stefan Haupt)

Konnte man sich bisher bei Führungen durch die seit 2006 in den Räumen der Kanzlei Haupt Rechtsanwälte in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte präsenten, ständig wachsenden Kollektion einen Eindruck der facettenreichen künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema Geld verschaffen, so besteht derzeit die Möglichkeit des Ausstellungsbesuchs in der Halle am Wasser, Kunst-Campus am Hamburger Bahnhof Berlin.

Blick in den großen Ausstellungsraum. Foto: Michael Kirsten, Berlin.

Für den großzügigen, oberlichtdurchfluteten Raum von 120 qm Fläche und ca. 7 m Höhe in der Halle am Wasser konzipierte Bettina M. Busse, MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst/ Gegenwartskunst Wien, eine Ausstellung, in der die unterschiedlichen Akzente der Sammlung ihre Berücksichtigung finden – sowohl in der Künstler- als auch in der thematischen Auswahl und der vorgestellten Materialien und Techniken.

Blick in den großen Ausstellungsraum während der Ansprachen. Foto: Michael Kirsten, Berlin.

Im Hauptraum können neben einer Vielzahl gerahmter Werke und einem der beiden Lichtobjekte der Sammlung die Videoarbeiten in multimedialer Präsentation mittels Beamer und Flat-Screen besichtigt werden, während im treppauf anschließenden kleinen Kabinett – neben flächigen Arbeiten und dem zweiten Lichtobjekt – in einer Tischvitrine kleinere Objekte und Ready-mades sowie Künstlergeld in Form von Münzen arrangiert wurden.

Tischvitrine im Kabinett-Raum, hinten an der Wand: Werkgruppe von Barton Lidicé Benes. Foto: Michael Kirsten, Berlin.

„Die Auseinandersetzung mit dem Thema Geld und Wert zieht sich durch alle Epochen; schon immer haben sich Philosophen, Künstler, Literaten, Staatsmänner und Revolutionäre mit aktuellen und zukunftsweisenden Konzepten zum Wert und seiner visuellen Repräsentation auseinandergesetzt. Das Thema Geld und Wert erweckt vielfältige Assoziationen: das Spektrum reicht von Reichtum, Macht, Schande, Konflikt, bis hin zu Mythen und Märchen.
Die Ausstellung zeigt ein Panorama der verschiedenen Blickwinkel auf das Thema, mit einem Schwerpunkt auf den Videoarbeiten aus der Sammlung.“ (Bettina M. Busse)

„Kunst und Geld – Sammlung Haupt“ – mit Werken von Irene Andessner, Stephan Balkenhol, Stephen Barnwell, Thomas Baumgärtel, Barton Lidicé Beneš, Joseph Beuys, BEWEGUNG NURR, J.S.G. Boggs, Victor Bonato, Ioë Bsaffot (Hrsg.), York der Knoefel, Sergej Alexander Dott, Lex Drewinski, Felix Droese, Nikolaus Eberstaller, Thomas Eller, Öyvind Fahlström, Maria Fisahn, Michael Fischer-Art, Agathe Fleury, Fabian Fontain, Thorsten Goldberg, Jens Haaning, Jan Henderikse, Georg Herold, Norbert Hinterberger, Horst Hussel, Susi Jirkuff, Jonas/Kees/Winkler, Eduard Kasper, Harald Klemm, Vollrad Kutscher, Ming-Wei Lee, Niko Luoma, Mathieu Mercier, Karen Michelsen Castañón, Wolfgang Nieblich, Maria & Natalia Petschatnikov, Gertraude Pohl, Jochen Schamal, Gil Shachar, Esther Shalev-Gerz, Justine Smith, Gerd Sonntag, Daniel Spoerri, Klaus Staeck, Anton Stankowski, Michael Timpson, Timm Ulrichs, United Transnational Republics, Petrus Wandrey, Andreas von Weizsäcker, Stefan Wewerka, Jasper Wielaert – steht im Kontext des „Berliner Kunstherbsts 2011“ mit Kunstevents und Messen wie abc (art berlin contemporary), Preview Berlin, Berliner Liste und Berliner Kunstsalon.

Kunst-Campus Berlin, Halle am Wasser, August 2011. Foto: Hermann Büchner, Berlin.

Die von urbanprojects berlin organisierte Ausstellung ist noch bis zum 8.10.2011, Di-Sa 12-18 Uhr, in der Halle am Wasser, Invalidenstraße 50/51, 10557 Berlin, bei freiem Eintritt zu sehen.
Die Halle am Wasser gehört zum Galerienstandort Kunst am Hamburger Bahnhof. Das Gebäude wurde von dem Berliner Architekturbüro Pott Architects als Galerienhaus für internationale zeitgenössische Kunst umgebaut und zum gallery weekend im Frühjahr 2008 eröffnet.

Im Rahmen der Ausstellung finden folgende Veranstaltungen statt:

– Donnerstag, 29. September 2011, 19 Uhr: Künstlergespräch
moderiert von Jan Kage alias Yaneq (Journalist und Buchautor) mit  Susanne Bosch, Künstlerin
Prof. Dr. Dieter Puchta, Puchta Petersen GmbH
Dr. Rolf Lauter, Managing Director und Kurator Swiss Art Institution Karlsruhe
Gerd Sonntag, Künstler

Ausstellungseröffnung mit Bürgermeldeamt der Künstlergruppe United Transnational Republics. Foto: Angela Graff, Hönow bei Berlin.

– Samstag, 8. Oktober 2011: Finissage
ab 15 Uhr: Euro-Umprägeaktion der Centralbank of the United Transnational Republics
18 Uhr: Vortrag „Welt Macht Geld“ von Georg Zoche, Autor des gleichnamigen Buches

Stefan Haupt (2009) vor Michael Timpson: A Horse Man Rode Out, 1999. Foto: Michael Kirsten, Berlin.

Der Sammler
Rechtsanwalt Dr. Stefan Haupt wurde 1962 in Berlin geboren, Studium der Rechtswissenschaften in Leipzig, seit 1990 selbständiger Rechtsanwalt in Berlin mit eigener Kanzlei, Schwerpunkte: Urheber-, Medien- und Verlagsrecht. 1990 Promotion an der Humboldt-Universität zu Berlin, seit 1997 diverse Lehr- und Referentenaufträge.
Dr. Stefan Haupt hat eine Vielzahl von Beiträgen in Fachpublikationen veröffentlicht. Er ist seit 2006 Herausgeber und Autor der Schriftenreihe „Berliner Bibliothek zum Urheberrecht“ im Verlag Medien und Recht, München.

Weitere Informationen zu der Sammlung und ihrer Ausstellung finden Sie hier.