Der Kunstsammler als Sammlerkunst

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von Björn Schöpe

18. September 2014 – Im Mai versteigerte das britische Auktionshaus Christie’s ein Gemälde von Norman Rockwell, das stattliche US$965.000 erbrachte. Für einen Rockwell ist das nichts Besonderes, immerhin ist der amerikanische Maler einer der beliebtesten des 20. Jahrhunderts – was seine Omnipräsenz auf Postkarten augenfällig belegt. Außergewöhnlich hingegen war das Motiv, das eine ganz spezielle Verbindung zur Welt der Münzen aufweist.

Norman Rockwell, The Collector. Signatur ‚Norman Rockwell‘ (unten rechts). Öl auf Leinwand, 30 x 48 Inches (76,2 x 121,9 cm.). Gemalt 1971. $965.000. Christie’s Images Ltd. 2014.

Einen Namen machte sich Norman Rockwell mit den Titelbildern der „Saturday Evening Post“, die er über Jahrzehnte malte. Sein realistischer, fotoähnlicher Stil ließ manchen Kunsthistoriker und -kritiker bezweifeln, ob es sich dabei überhaupt um „echte Kunst“ handelt. Abgesehen von der Fragwürdigkeit einer solchen Bewertung schert dieses Urteil ohnehin kaum jemanden – der Name Rockwell lässt auf Auktionen Höchstpreise erwarten. Wie kam aber Norman Rockwell dazu, einen Münzsammler zu malen, und was erkennen wir auf dem Bild?

Die 1964 gegründete private Münzstätte Franklin Mint beauftragte Norman Rockwell 1970 mit der Anfertigung von Vorlagen für Sammelobjekte, Münzen, Medaillen, Tafeln und ähnlichem. Zwischen 1970 und 1975 schuf der Künstler über 80 Objekte für die Münzstätte. In diesem Zusammenhang entstanden auch zwei Gemälde, eines davon „The Collector“.

Der darauf abgebildete Sammler ist ein distinguierter älterer Herr, der elegant gekleidet an seinem Schreibtisch sitzt, eine Münze in den weißbehandschuhten Händen hält und diese durch eine große Lupe betrachtet. Neben ihm dampft die Tasse Tee, eine Pfeife liegt zum baldigen Gebrauch in Griffweite. An seiner Seite steht ein junger, eifriger Mann, gleichfalls mit Lupe in der Hand, der ebenso aufmerksam auf die Münze schaut wie der Hund, der seinen Kopf über die Tischkante schiebt. Und einen weiteren Betrachter gibt es: Vor dem Bücherregal im Hintergrund steht eine Büste des Namensgebers der Franklin Mint, des berühmten Benjamin Franklin. Vorbild der Büste war ein reales Souvenir, das Rockwell im Louvre gekauft hatte, wie der Text im Auktionskatalog informiert. Allerdings lenkte der Künstler den Blick um.

Schaut man genau hin, so kann man zumindest erahnen, dass das Sammelgebiet des Herrn von der Franklin Mint abgedeckt worden sein dürfte: moderne Prägungen. Dennoch ist die Bibliothek gut gefüllt mit Nachschlagewerken.

Heute vertreibt die Franklin Mint übrigens Sammelobjekte aller Art bis hin zu Wein und patriotischen Miniskulpturen. Die Zeiten ändern sich eben. Aber sahen die Kunden der Franklin Mint 1970 so aus wie in Rockwells Bild? Wohl kaum. Man dürfte eher von einem Idealbild sprechen. Interessanterweise hat sich das jedoch in den vergangenen Jahrzehnten kaum geändert. Welcher Sammler empfindet es nicht als besonders erstrebenswert, ruhige Momente mit seinen Münzen zu verbringen, sich in ihre Betrachtung oder Studium zu vertiefen, dabei vielleicht eine Tasse Tee zu trinken? Und natürlich möchte jeder Sammler seine zusammengetragenen Objekte gerne einmal in ebenso begeisterte und kompetente Hände weitergeben und sich dafür den Nachwuchs selbst heranbilden. Insofern ist dieser Rockwell bei aller zeitgebundenen Patina ein zeitloses Ideal. Und gleichzeitig der seltene Fall, in dem das Bild eines Münzsammlers selbst zum geschätzten und teuer bezahlten Kunst- und Sammelobjekt avanciert ist.

Die Beschreibung des Bildes bei Christie’s finden Sie hier.

Das Norman Rockwell Museum verwaltet den künstlerischen Nachlass des Malers.

Wenn Sie sich selbst einen Eindruck von der künstlerischen Qualität der Evening-Post-Titelbilder verschaffen wollen, schauen Sie bei einem beliebigen Posteranbieter nach, wo Sie Hunderte von Rockwells finden.

Und das umfangreiche Portfolio der Franklin Mint finden Sie hier.