Der Geist des Geldes

Wie gerne lachen wir, am liebsten über die Schwächen der anderen. Wahrscheinlich haben wir deshalb so viel Spaß an Karikaturen: Weil sie uns zunächst zum Lachen bringen, ehe wir betroffen nachzudenken beginnen.
Die Aareal Bank hat das wohl ähnlich gesehen, denn die Geschäftsleitung beschloß vor etwa 20 Jahren, eine Sammlung von Karikaturen anzulegen, die sich mit dem höchst interessanten Verhältnis von Mensch und Geld beschäftigen. Rund 300 Originale von Sempé, Hogarth, Daumier, Hurzlmeier, Heitzinger und vielen, vielen anderen sind dafür zusammengetragen worden. Nun verfügt das Wilhelm-Busch-Museum über das Material: Die Aareal Bank vertraute dem „Deutschen Museum für Karikatur und kritische Graphik“ ihre Sammlung als Dauerleihgabe an. Eine erste Ausstellung wurde bereits 2009 präsentiert, hoffen wir, daß viele weitere folgen werden.

James Gillray (1757-1815), John Bull völlig am Boden (John Bull ground down), 1795.

Völlig am Boden

Das
Spektrum der Karikaturen reicht vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in
die Gegenwart. Ein Beispiel für eine frühe Zeichnung ist James Gillrays
„John Bull völlig am Boden“ von 1795. Damals waren die Hochzeit des
Prinzen von Wales mit Caroline von Braunschweig und vor allem die hohen
Steuern, die Englands Bürger dafür berappen mußten, in aller Munde.
Der
Prinz hatte sich nämlich nicht ganz freiwillig von seiner katholischen
Ehefrau scheiden lassen und die politisch-korrekte Protestantin
Caroline geheiratet. Den notorischen Lebemann hatten die Schulden
gedrückt, wie die hinter dem Prinzen stehenden Gläubiger mit ihren
Schuldbriefen überdeutlich zum Ausdruck bringen. Der künftige Monarch
kniet unter der Mühle, die vom Premierminister William Pitt aufs beste
bedient wird, und fängt den Geldregen auf. Schließlich wollte auch die
verstoßene Gattin, hier die dritte von links, versorgt werden. Daß sich
Politiker, hier Henry Dundas und Edmund Burke, selbst am Steuersegen
bedienten, war schon damals so (und scheint in England bis in die
jüngste Zeit üblich geblieben zu sein). Keiner achtet auf den armen
John Bull, Inkarnation aller Steuer zahlenden Engländer, der trotz
seines „Mörder! Mörder!“ Geschreis von niemandem Hilfe erhält.

 

Honoré Daumier (1808-1879), Im Börsensaal (À la bourse), 1856.

Im Börsensaal

Eine andere Abart menschlicher Geldgier
bietet der Börsensaal, wo sich um ein kreisförmiges Gitter die Anleger
von Paris treffen. Honoré Daumier fing hier auf seine unnachahmliche
Art die typischen Charaktere ein. Im Vordergrund steht ein fetter
Spekulant. Er hat seinen Stift gezückt und notiert, verbissen und
konzentriert, vielleicht die Ergebnisse des Tages, vielleicht seine
Gewinne, vielleicht seine Verluste. Seine Kollegen scheinen eher von
Angst gepackt. Die Augen weit aufgerissen, schreien, gestikulieren und
flehen sie. Zettel fliegen durch die Luft, Emotionen erwärmen den Raum
und man bekommt eine Ahnung davon, daß dieser Platz sicher nicht der
ist, wo man sich gerne befinden möchte.

 

Rudi Hurzlmeier (*1952), Denk ich an Deutschland in der Nacht, 1995.

Steuerliche Notmaßnahmen

Denk ich an Deutschland in der Nacht – so lautet der Titel dieser Karikatur, und jeder
gebildete Germanist wird traumwandlerisch Heines Gedicht „Nachtgedanken“ vollenden: „dann bin ich um den Schlaf gebracht.“
Galt Heines Besorgnis damals dem politischen Zwangssystem, machen wir uns heute eher um unser Geld Sorgen, wie es Rudi Hurzlmeier schon im Jahre 1995 zum Ausdruck brachte. Damals war Theo Waigel Finanzminister – und schon er hatte Probleme, den Staatssäckel angemessen zu füllen. Und so steht er da in einer Mondhellen Nacht, die Strumpfmaske über dem Kopf, die Pistole in der Jackentasche, um an Steuergelder zu kommen. Ob er dabei als Bettler und „ganz armer Hund“ auftritt oder doch eher als Räuber, bleibt der Interpretation des Betrachters überlassen. Ganz sicher aber wird die eingenommene Summe nie ausreichen, um den Staatshaushalt zu sanieren. Zu groß sind die Löcher im bundesdeutschen Steuersack.

 

Tullio Pericoli (*1936), Der Geldfänger, 1986.

Der Geldfänger

Eine andere Spielart menschlichen Verhaltens spiegelt der Geldfänger des
italienischen Karikaturisten Tullio Pericoli. Nein, er ist nicht im
Zuge der Finanzkrise entstanden, sondern bereits im Jahr 1986. Wie
einst beim Rattenfänger von Hameln reicht es, daß der Geldfänger seine
Flöte leise bläst. Er lockt damit Tausende von Menschen an, die dem
Versprechen vom großen Geld nur allzu gern glauben möchten. Gekleidet
ist unser Rattenfänger dabei wie ein typischer Bänker mit seinem
Nadelstreifenanzug, seinen zweifarbigen Schuhen und der roten Krawatte.
Eine zeitlose Allegorie auf menschliche Dummheit und diejenigen, die
sie auszunutzen wissen.

 

Gerhard Haderer (*1951), Der Fortschritt ist nicht mehr aufzuhalten: Das Bargeld wird abgeschafft, o. J.

Jenseits von Dagobert Duck

Ziemlich zeitgebunden ist dagegen die Zeichnung von Gerhard Haderer, der sich mit einer Erscheinung des vergangenen Jahrzehnts auseinandersetzt. Immer häufiger verdrängen Plastikkarten und Verrechnungsgeld die alten Münzen und Scheine. Schon lange kann Onkel Dagobert nicht mehr in sein erfrischendes Geldbad springen und im Gold seine Akus aufladen. Stattdessen sorgt Verrechnungsgeld in beliebiger Höhe für eine ziemlich harte Landung. Haderer hat eine äußerst doppelbödige Karikatur geschaffen, bei der man nicht weiß, ob man lachen oder erschrecken soll.

 

Mehr zum Wilhelm-Busch-Museum auf
www.wilhelm-busch-museum.de

Genaueres zur Sammlung unter
http://www.aareal-bank.com/presse/pressemitteilung/der-geist-des-geldes-satirische-betrachtungen-zum-thema-geld-ausstellungseroeffnung-der-karikaturensammlung-der-aareal-bank-im-wilhelm-busch-museum/